30. Juni, 2025

Wirtschaft

Tarifbindung in Deutschland: Stabilität auf niedrigem Niveau

Tarifbindung in Deutschland: Stabilität auf niedrigem Niveau

Die Tarifbindung der Beschäftigten in Deutschland zeigt sich im Jahr 2024 stabil, jedoch weiterhin auf relativ niedrigem Niveau. Laut Statistischem Bundesamt werden 49 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Unternehmen mit Branchen- oder Firmentarifverträgen beschäftigt. Diese Quote hat sich im Vergleich zu den Vorjahren kaum verändert. Historisch gesehen war die Tarifbindung deutlich höher: Mitte der 1990er Jahre lag sie noch bei etwa 85 Prozent der Beschäftigten, wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung berichtet.

Branchenunterschiede spielen dabei eine erhebliche Rolle. Während im Öffentlichen Dienst, bei der Verteidigung und den Sozialversicherungen eine Vollabdeckung mit Tarifverträgen besteht, liegen die Werte in der Energieversorgung bei 84 Prozent und im Bildungswesen bei 80 Prozent. Auch im Sektor der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen ist die Tarifbindung mit 72 Prozent überdurchschnittlich hoch.

Einen konträren Trend zeigt die Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei mit nur 11 Prozent Tarifbindung auf. Ebenfalls niedrige Quoten finden sich in den Sektoren Kunst, Unterhaltung und Erholung (20 Prozent), Immobilienwirtschaft (22 Prozent) und im Gastgewerbe (23 Prozent). Regional betrachtet zeigt sich Bremen mit einer Tarifbindungsquote von 56 Prozent an der Spitze, wohingegen Sachsen mit 42 Prozent das Schlusslicht bildet.

Besorgniserregend ist die Situation in vielen Dienstleistungsbranchen für WSI-Tarifexperte Thorsten Schulten. Er hebt hervor, dass das Fehlen von Tarifverträgen zu niedrigeren Löhnen, längeren Arbeitszeiten und insgesamt schlechteren Arbeitsbedingungen führt. Eine WSI-Studie von April 2024 zeigt, dass Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Unternehmen wöchentlich im Mittel 53 Minuten länger arbeiten und dennoch rund 10 Prozent weniger verdienen. Schulten plädiert für gesetzliche Initiativen einer zukünftigen Bundesregierung, um die Tarifbindung zu stärken.