Ein Coup mit Signalwirkung
150 Millionen Euro für einen Fernsehsender mit 2 Milliarden Euro Jahresumsatz und den exklusivsten Sportrechten des Landes – das wirkt wie ein Schnäppchen, und ist es auch.
Was RTL hier von Comcast übernimmt, ist nicht irgendein angeschlagener Spartensender, sondern Sky Deutschland: Ex-Bundesliga-Monopolist, Formel-1-Garant, Hollywood-Maschine und Premium-Marke mit beachtlicher technischer Infrastruktur.
Wer den Kaufpreis hört, reibt sich die Augen – selbst mit möglichen Nachzahlungen bis zu 377 Millionen Euro bleibt das Geschäft ein Ausverkauf im großen Stil.
RTL übernimmt – und sendet ein klares Zeichen
Für die Bertelsmann-Tochter ist die Übernahme strategisch klug getimt. Während US-Riesen wie Netflix und Amazon Prime den europäischen Markt dominieren, fehlt es an echten Gegengewichten.
Der Zusammenschluss mit Sky schafft auf einen Schlag ein neues Medienkraftzentrum mit 11,5 Millionen Streaming-Abonnenten – mehr als Disney+ in Deutschland. RTL, RTL+, Sky, Wow – alles künftig unter einem Dach, zumindest wenn das Kartellamt mitspielt.
Dass RTL-Boss Thomas Rabe dabei von einem „nationalen Medienchampion“ spricht, ist kein Zufall: Die Fusion ist nicht nur ein wirtschaftlicher Schritt, sondern auch eine politische Kampfansage an die wachsende Abhängigkeit Europas von US-Plattformen.
Auch deswegen dürfte das Vorhaben in Berlin wohlwollend begleitet werden – und vielleicht auch in Brüssel.
ProSiebenSat.1: Abgehängt
Lange galt ein Zusammenschluss von RTL mit dem Münchner Konkurrenten ProSiebenSat.1 als wahrscheinlichstes Konsolidierungsszenario. Rabe hatte mehrfach öffentlich mit dem Gedanken gespielt – jetzt zieht er den Schlussstrich: Sky sei die bessere Option, weil „komplementär“.
Im Klartext: Wo RTL stark im Massen-TV ist, punktet Sky mit Pay-Inhalten, Serien und Premiumsport. Der größere Vorteil aber: Sky bringt eine deutlich modernere Infrastruktur und ein klar international ausgerichtetes Digitalangebot mit.
ProSiebenSat.1 bleibt damit außen vor – in der neuen Medienordnung eine Randnotiz.
Ein Deal mit Hintertür
Bemerkenswert ist die Konstruktion des Deals: Der Kaufpreis von 150 Millionen Euro ist fix, weitere bis zu 377 Millionen Euro sind an den Kurs der RTL-Aktie gebunden.
Comcast, der US-Konzern hinter Sky, bekommt also mehr Geld, wenn RTL an der Börse in den kommenden Jahren deutlich zulegt. Ab einem Kurs von 70 Euro wäre die volle Nachzahlung fällig – ein Wert, der aktuell mehr als doppelt so hoch liegt wie der Ist-Zustand.

Ob das cleveres Risikomanagement oder ein Hinweis auf fehlendes Vertrauen in die kurzfristige Ertragskraft ist, bleibt Spekulation. Klar ist nur: RTL zahlt mit der Hoffnung auf sich selbst.
Sport bleibt König
Der wahre Wert von Sky liegt im Sport – und das weiß RTL. Die Bundesliga, die Formel 1, internationale Fußballrechte, dazu Top-Serien und HBO-Inhalte – all das ist für RTL+ bislang unerreichbar gewesen.
Jetzt aber öffnet sich die Tür zum Premiumsegment. Mit Wow und RTL+ lassen sich Inhalte künftig gezielter bündeln, besser vermarkten – und für Werbekunden attraktiver machen. Das neue Konglomerat könnte dem trägen deutschen Streamingmarkt endlich den Impuls geben, den er dringend braucht.
RTLs neue Allmacht – und offene Fragen
RTL-Deutschland-Chef Stephan Schmitter übernimmt die Leitung des fusionierten Unternehmens, Hauptsitze bleiben in Köln und München.
Damit wird nicht nur der interne Machtkampf entschieden, sondern auch ein deutliches Zeichen gesetzt: Sky wird künftig deutsch gedacht – nicht mehr britisch, nicht mehr amerikanisch, sondern als Teil einer europäischen Gegenstrategie zu Netflix & Co.
Doch es bleiben Fragen: Was passiert mit den Sky-Mitarbeitenden? Werden Abomodelle vereinheitlicht? Verschwindet die Marke Sky, oder bleibt sie Premium-Leuchtturm im RTL-Kosmos?
Und nicht zuletzt: Wie sehr wird das Kartellamt bei einem Streaming- und Pay-TV-Marktanteil von rund 30 Prozent wirklich durchwinken?
Ein Deal mit Risiken – aber historischem Potenzial
Der Kauf von Sky ist für RTL der größte Deal seit der eigenen Gründung im Jahr 2000. Er ist riskant – Sky war in der Vergangenheit ein Verlustbringer und steht trotz Sanierung noch auf wackligen Füßen.
Aber er bietet auch enormes Potenzial: Für neue Geschäftsmodelle, bessere Inhalte, größere Reichweiten. Und für ein medienpolitisches Gegengewicht zu den US-Konzernen, die sich bislang wenig um deutsche Regulierung scheren.
In einer Zeit, in der Plattformen den Diskurs prägen und Aufmerksamkeit zur härtesten Währung wird, markiert dieser Deal mehr als eine Übernahme. Er könnte der Anfang vom Ende des fragmentierten deutschen Medienmarkts sein. Und der Beginn einer ernsthaften europäischen Medienstrategie.