Wer seinen Firmensitz in Deutschland strategisch verlegt, kann bei der Gewerbesteuer kräftig sparen. Besonders niedrig ist die Steuerlast in Orten wie Langenwolschendorf, Monheim oder Grünwald.
Neue Daten von Empirica Regio, exklusiv für die InvestmentWeek ausgewertet, zeigen, welche Kommunen sich zur Steueroase entwickelt haben – und warum die Bundesregierung den Hebesatz anziehen will.
Gewerbesteuerparadiese: Kleine Orte, große Gewinne
In Deutschland können Gemeinden den Hebesatz der Gewerbesteuer selbst bestimmen. Der gesetzliche Mindesthebesatz liegt derzeit bei 200 Prozent – doch das soll sich bald ändern.
Denn während viele Städte notgedrungen an der Steuerschraube drehen, locken Kommunen wie Monheim am Rhein, Grünwald oder Langenwolschendorf mit minimalen Hebesätzen Unternehmen an.
Das Ergebnis: In Grünwald bei München, mit einem Hebesatz von nur 240 Prozent, existieren mehr als 8.000 registrierte Firmen – bei rund 11.000 Einwohnern. Auch Schönefeld nahe Berlin zählt tausende Firmen bei vergleichsweise wenigen Einwohnern. Firmenansiedlungen, die vor allem dem Gewerbesteueraufkommen dienen, ohne echte wirtschaftliche Substanz vor Ort.
Firmensitzverlagerung wird zum Geschäftsmodell
Gerade für Immobiliengesellschaften und Holdingstrukturen ist die Verlegung des Firmensitzes in eine Gemeinde mit niedriger Gewerbesteuer ein lukratives Geschäft. Schönefeld, Grünwald und andere Orte profitieren – andere Städte hingegen verlieren dringend benötigte Einnahmen.
Der Deutsche Städtetag warnt deshalb vor einem „Wettlauf nach unten“. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sieht die Wettbewerbsverzerrung kritisch:
„Einige wenige Gewerbesteueroasen gefährden die Einnahmebasis aller Kommunen.“
Neue Bundesregierung will Mindesthebesatz erhöhen
Im neuen Koalitionsvertrag ist deshalb vorgesehen, den Mindesthebesatz auf 280 Prozent anzuheben. Ein Schritt, der zahlreiche Steuerparadiese beseitigen könnte – und den Trend zur Firmensitzverlagerung zumindest eindämmen dürfte.

Besonders betroffen wären Gemeinden wie Langenwolschendorf, die bewusst mit Dumping-Steuern Firmen anlocken. Empirica-CEO Jan Grade bestätigt: „Je höher die Schuldenquote im Landkreis, desto höher werden in der Regel die Hebesätze angesetzt.“

Eine Erhöhung des Mindesthebesatzes könnte somit die Schieflage im kommunalen Wettbewerb entschärfen.
Nordsee-Dörfer mit Rekordeinnahmen
Kurios bleibt das Beispiel Norderfriedrichskoog an der Nordseeküste: Mit über 100.000 Euro Gewerbesteuereinnahmen pro Einwohner gehört das Dorf zu den reichsten Kommunen Deutschlands – ein Relikt aus Zeiten, als hier noch gar keine Gewerbesteuer erhoben wurde. Auch heute noch profitiert die kleine Gemeinde von verbliebenen Firmenansiedlungen.
Warum die Gewerbesteuer für Städte überlebenswichtig bleibt
Für die meisten Städte ist die Gewerbesteuer die zentrale Einnahmequelle. Gerade in Zeiten knapper Kassen steigt die Bedeutung weiter. Laut Deutschem Städtetag tragen Kommunen rund ein Viertel der öffentlichen Ausgaben – erhalten aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen.
Experten wie Jan Grade fordern deshalb nicht nur höhere Hebesätze, sondern auch eine strukturelle Reform: Kommunen sollten stärker an Gemeinschaftssteuern wie der Umsatzsteuer beteiligt werden, um Investitionen in Infrastruktur und Daseinsvorsorge langfristig sichern zu können.
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