02. November, 2025

Politik

SPD-Innenminister will Verfassungsschutz mehr Macht geben – jetzt auch bei Jugendlichen

Ausgerechnet Kinder und Jugendliche rücken ins Visier des Inlandsgeheimdienstes: Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) will dem Verfassungsschutz erlauben, Daten von unter 16-Jährigen zu speichern – unter bestimmten Bedingungen.

SPD-Innenminister will Verfassungsschutz mehr Macht geben – jetzt auch bei Jugendlichen
Christian Pegel (SPD): Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern will dem Verfassungsschutz erstmals Zugriff auf Daten von Kindern unter 16 gewähren – bei „besonders schwerwiegenden Fällen“.

Wenn der Verfassungsschutz auf Schulhöfen mitliest

Die Sorge ist real, das Mittel radikal: Laut Innenminister Christian Pegel verzeichnen die Sicherheitsbehörden seit Jahren zunehmende Versuche extremistischer Gruppen, Jugendliche gezielt zu rekrutieren – online, auf Gaming-Plattformen oder in sozialen Netzwerken. Ob islamistische Chatgruppen, rechtsextreme Meme-Kanäle oder linksautonome Subkulturen: Die Schwelle, junge Menschen in radikale Denkmuster zu ziehen, sei deutlich gesunken.

Nun will Pegel Konsequenzen ziehen – und den Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern ermächtigen, personenbezogene Daten auch von Kindern unter 16 Jahren zu speichern, wenn „besonders schwerwiegende Bestrebungen“ vorliegen. Bislang ist die Erfassung Minderjähriger in der Regel nur ab 16 erlaubt.

„Leider müssen wir feststellen, dass Extremisten zunehmend versuchen, Kinder und Jugendliche für ihre Ideologien zu gewinnen“, sagte Pegel am Dienstag. Ziel sei es, „frühzeitig Gefahren zu erkennen und zu verhindern, dass sich junge Menschen radikalisieren“.

Zwischen Prävention und Grundrechtseingriff

Juristisch ist der Vorschlag heikel. Denn das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Urteilen hohe Hürden für Eingriffe in Persönlichkeitsrechte gesetzt – insbesondere bei Minderjährigen. Zwar betont Pegel, die Datenspeicherung solle „nur unter engen Voraussetzungen“ erfolgen, doch Datenschützer warnen vor einer schleichenden Ausweitung staatlicher Überwachung.

„Das Grundgesetz schützt gerade Kinder besonders vor staatlichen Eingriffen“, sagt ein früherer Richter des Landesverfassungsgerichts in Schwerin. „Wenn der Staat beginnt, Informationen über Zwölf- oder Dreizehnjährige zu sammeln, öffnet das eine gefährliche Tür.“

Auch Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen kritisieren den Entwurf. Der Landesdatenschutzbeauftragte sprach von einer „massiven Grundrechtsfrage“, die nicht allein aus sicherheitspolitischem Pragmatismus beantwortet werden dürfe.

Ein Gesetz mit zwei Gesichtern

Der geplante Gesetzentwurf ist Teil einer größeren Reform, die sowohl mehr Kontrolle als auch mehr Befugnisse für den Verfassungsschutz vorsieht. Einerseits sollen künftig strengere Regeln gelten, wenn sensible Daten weitergegeben oder besonders eingriffsintensive Maßnahmen – etwa das Abhören von Kommunikation – angeordnet werden. Andererseits erhält die Behörde neue Möglichkeiten, selbst bei Kindern Informationen zu speichern.

Bemerkenswert ist auch ein neuer Paragraph, der es Mitarbeitern des Verfassungsschutzes künftig erlauben soll, sich direkt an den Landtag zu wenden, falls sie Missstände in der Behörde beobachten. Die Parlamentarische Kontrollkommission würde damit zu einer Art interner Beschwerdestelle – unabhängig, aber ebenfalls geheim.

„Damit schaffen wir Transparenz, ohne die Geheimhaltungspflicht der Mitarbeiter zu verletzen“, argumentiert Pegel.

Kritik auch aus den eigenen Reihen

Während Pegel in Sicherheitskreisen Zustimmung erhält, regt sich in der SPD selbst leise Skepsis. Einige Abgeordnete fürchten, dass der Vorstoß die Partei in eine sicherheitspolitische Ecke drängt, die sie lange vermeiden wollte. „Kinder zu überwachen, auch wenn es um Extremismus geht – das ist ein Dammbruch, über den wir sehr genau reden müssen“, heißt es aus Fraktionskreisen in Schwerin.

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Die Opposition reagiert deutlich schärfer. Die Grünen sprechen von einem „rechtspolitischen Rückschritt“, die Linksfraktion warnt vor einem „Überwachungsstaat im Kinderzimmer“. Selbst die CDU mahnt, das Gesetz dürfe „nicht auf Verdacht und Bauchgefühl“ angewendet werden.

Politisches Risiko – juristisches Minenfeld

Der Vorstoß kommt zu einem Zeitpunkt, in dem Sicherheitsbehörden bundesweit über eine Zunahme extremistischer Aktivitäten im digitalen Raum klagen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz registriert jährlich mehrere hundert Fälle von Online-Rekrutierung durch extremistische Gruppen. Viele Zielpersonen seien unter 18, manche gerade einmal 13 Jahre alt.

Gleichzeitig wächst die Skepsis in der Bevölkerung gegenüber einer weiteren Ausdehnung staatlicher Überwachung. Nach den Erfahrungen mit der Vorratsdatenspeicherung und dem NSA-Skandal sitzt das Misstrauen tief – vor allem, wenn es um Jugendliche geht.

Sollte Pegels Entwurf tatsächlich Gesetz werden, dürfte er wohl vor Gericht landen. Juristen erwarten bereits eine Verfassungsbeschwerde – mit ungewissem Ausgang.

Zwischen Schutz und Übergriff

Der Entwurf stellt die zentrale Frage moderner Sicherheitspolitik: Wie weit darf ein demokratischer Staat gehen, um sich selbst zu schützen – und wo beginnt die Übergriffigkeit?

Christian Pegel will Kinder vor Extremisten schützen. Doch ob der Weg über den Verfassungsschutz der richtige ist, bleibt offen. Zwischen pädagogischer Prävention und nachrichtendienstlicher Beobachtung verläuft eine dünne Linie. Und genau dort, zwischen Sicherheit und Freiheit, verhandelt Deutschland einmal mehr seine Grundprinzipien.

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