Brüssel diktiert, Apple muss folgen
Was bislang undenkbar schien, wird nun Realität: Apple wird in Europa gezwungen, anderen Sprachassistenten den Weg aufs iPhone zu ebnen. Nach Jahren der strikten Abschottung droht Siri ihre Monopolstellung zu verlieren – und das nicht aus freien Stücken.
Der Auslöser: der Digital Markets Act (DMA), ein neues Wettbewerbsregelwerk der EU, das große Plattformbetreiber verpflichtet, ihre Systeme zu öffnen.
Seit März 2024 gilt der DMA auch für Apple – und damit für das gesamte iOS-Ökosystem. Apps von Drittanbietern, alternative App-Stores, freie Browserwahl – und nun eben auch: fremde Sprachassistenten als Standard.
Für Apple bedeutet das eine tektonische Verschiebung im Betriebssystem. Für Nutzer: mehr Wahlfreiheit – vielleicht aber auch mehr Unsicherheit.
Der Anfang vom Ende der Apple-Integrität?
Apple galt lange als Musterbeispiel für geschlossene Systeme: Alles aus einer Hand, alles perfekt aufeinander abgestimmt – Software, Hardware, Dienste. Siri war kein optionaler Zusatz, sondern tief im System verwurzelt.
Diese enge Integration galt als Verkaufsargument, als Garant für Datenschutz und Nutzerfreundlichkeit. Künftig könnte genau das zum Problem werden.
Denn wenn Google Assistant oder Amazon Alexa auf einmal die Führung übernehmen dürfen, stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie kompatibel ist das mit Apples Sicherheitsversprechen? Und wie viel Kontrolle verliert der Konzern über seine Plattform, wenn Drittanbieter im Kern des Systems operieren?

Alexa auf dem iPhone – willkommen im Hybrid-Ökosystem
Technisch wäre es kein Problem, andere Assistenten zu integrieren – Google und Amazon haben ihre Systeme längst für mobile Geräte optimiert.
Und in puncto Funktionalität hinkt Siri beiden seit Jahren hinterher: Während der Google Assistant etwa bei kontextbasierter Suche und Smart-Home-Steuerung punktet, überzeugt Alexa durch ihre enorme Gerätekompatibilität im Haushalt.
Dass ausgerechnet diese beiden nun auf das iPhone drängen dürfen, dürfte Apple nicht gefallen. Doch der Konzern hat kaum Spielraum: Die EU meint es ernst mit der Entflechtung dominanter Plattformen. Wer sich querstellt, riskiert Milliardenstrafen.
Datenschutz: Ein Versprechen unter Druck
Apple hat sich in den letzten Jahren als Hüter der Privatsphäre positioniert – ganz bewusst auch in Abgrenzung zu Konkurrenten wie Google.
Dass nun ausgerechnet deren Sprachassistenten tiefer ins System dürfen, könnte dieses Image ins Wanken bringen. Denn Sprachdaten sind sensibel – sie verraten mehr über uns, als viele glauben: Wohnort, Tagesabläufe, Interessen, sogar Emotionen.
Während Apple diese Daten bisher lokal verarbeitet und kaum weitergegeben hat, arbeiten andere Anbieter Cloud-basiert – mit anderen Datenschutzstandards, oft weniger restriktiv. Die Herausforderung für Apple wird sein, sicherzustellen, dass Nutzer nicht aus Versehen ihre Privatsphäre aufgeben – weil sie sich für eine leistungsstärkere, aber datenhungrigere Alternative entscheiden.
Öffnung als Chance? Oder als Kontrollverlust?
Im besten Fall sorgt der neue Wettbewerb dafür, dass Siri endlich aufholt. Denn der Assistent aus Cupertino gilt vielen als überholt: begrenztes Verständnis, langsame Updates, kaum neue Funktionen.
Der Druck von außen könnte zur Initialzündung werden – entweder für ein großes Siri-Update oder für eine ganz neue Strategie im Umgang mit Künstlicher Intelligenz.
Gleichzeitig aber bricht Apple mit einem Prinzip, das den Konzern jahrzehntelang stark gemacht hat: die Kontrolle über das eigene System. Was in der EU beginnt, könnte andernorts Schule machen – und dem Apple-Ökosystem weltweit eine neue Richtung aufzwingen.
Ein europäisches Signal – mit globaler Reichweite
Die EU zwingt einen der größten Tech-Konzerne der Welt zur Öffnung. Was wie ein regionaler Regulierungsakt wirkt, ist in Wahrheit ein Signal an die gesamte Branche: Monolithische Systeme sind nicht mehr sakrosankt.
Nutzer sollen entscheiden dürfen – nicht die Plattform.
Apple stemmt sich dagegen, so gut es geht. Doch spätestens wenn Alexa das Licht im Wohnzimmer dimmt und ChatGPT eine SMS auf dem iPhone verfasst, wird klar sein: Die Zeiten, in denen Siri allein das Kommando hatte, sind vorbei.
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