02. Juli, 2025

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Shein und Temu unter Druck – Trumps Zollpolitik lässt das China-Geschäft kollabieren

Zollschranken, schrumpfende Nutzerzahlen und sinkende Werbeetats setzen Shein und Temu in den USA massiv unter Druck. Jetzt wenden sich die Billigplattformen Europa zu – doch auch dort droht Gegenwind.

Shein und Temu unter Druck – Trumps Zollpolitik lässt das China-Geschäft kollabieren
Werbebudget gekürzt, Sichtbarkeit verloren: Temu reduzierte seine US-Werbeausgaben um 87 %. Noch 2024 gehörten Temu und Shein zu den Top 15 der größten digitalen Werbetreibenden – jetzt liegen beide außerhalb der Top 60.

Zollschock mit Folgen

Der Bruch kam abrupt: Seit US-Präsident Donald Trump im Mai das sogenannte „De minimis“-Schlupfloch schloss, fällt für günstige China-Ware beim Import in die USA ein Strafzoll an – in Spitzenzeiten 90 Prozent, derzeit immerhin 30.

Für Shein und Temu, deren Geschäftsmodell auf zollfreien Direktversand basiert, ist das eine existenzielle Zäsur. Binnen drei Monaten verlor Temu über die Hälfte seiner US-Nutzer – ein digitaler Absturz.

Die Regel, die Pakete bis 800 US-Dollar bisher zollfrei ließ, war das Rückgrat einer globalisierten Plattform-Ökonomie, in der Geschwindigkeit und Preis die einzige Währung waren.

Der politische Kurswechsel kam nicht nur abrupt – er war auch brutal effizient. Was vorher als „Innovation“ gefeiert wurde, wird nun als staatlich geförderte Steuervermeidung gebrandmarkt.

Ein Milliardenmarkt bricht ein – und das Vertrauen gleich mit

Laut Daten von Sensor Tower schrumpfte die monatliche Nutzerbasis von Temu in den USA zwischen März und Juni 2025 um 51 Prozent – auf 40,2 Millionen. Auch Shein verzeichnete ein Minus von 12 Prozent.

Noch gravierender ist der Rückgang der Werbeinvestitionen: Temu schraubte seinen US-Werbebudget um 87 Prozent zurück, Shein um 69 Prozent. Die Folge: Sichtbarkeit weg, Reichweite weg, Umsatz weg.


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Dass ein Großteil der Plattformkäufe bisher über aggressive Werbung und Influencer-Marketing generiert wurde, rächt sich jetzt. Ohne Subventionierung durch zollfreie Einfuhren und milliardenschwere Werbekampagnen erodiert das Geschäftsmodell schneller, als es sich anpassen kann.

Europa als neuer Hoffnungsträger – aber nicht ohne Risiko

Während die Nutzerzahlen in den USA wegbrechen, verlagern beide Plattformen ihren Fokus auf Europa. In Deutschland legte die Zahl der Temu-Nutzer um 64 Prozent zu, in Frankreich um 76. Auch Shein wächst in Europa wieder leicht – zwischen 13 und 20 Prozent in den wichtigsten Märkten.

Doch der Aufschwung könnte kurzlebig sein. Die EU plant eine pauschale Importgebühr von zwei Euro für Kleinsendungen aus Drittstaaten – ein direkter Angriff auf das Geschäftsmodell beider Plattformen. Auch Großbritannien erwägt eine Reform seiner Zollgrenzen.

In Brüssel wird zudem diskutiert, ob Plattformen wie Shein und Temu künftig stärker für Produktsicherheit, Umweltschutz und faire Arbeitsbedingungen haften sollen.

IPO auf der Kippe – Shein weicht nach Hongkong aus

Shein hatte Großes vor: Ein Börsengang in New York oder London sollte Milliarden bringen. Doch die Aufsichtsbehörden blockten ab – wegen Bedenken zur Unternehmensstruktur, zum Umgang mit Daten, zu Lieferketten und Arbeitsbedingungen.

Nun will Shein offenbar in Hongkong listen. Es wäre ein Rückzug aus dem westlichen Kapitalmarkt – und ein symbolischer Tiefpunkt für eine Firma, die einst als E-Commerce-Sensation gefeiert wurde.

Für Investoren ist das ein Warnsignal: Wenn sich westliche Kapitalmärkte abwenden, bleibt nicht nur Geld auf der Strecke – sondern auch Vertrauen. Und ohne Vertrauen ist selbst ein günstiges T-Shirt schwer verkäuflich.

Was vom Boom übrig bleibt

Shein und Temu waren die Stars einer Ära, in der E-Commerce neue Rekorde brach – und Staaten bereitwillig wegsahen. Geringe Preise, hohe Margen, zollfreier Direktversand: ein perfekter Sturm für Wachstum. Doch mit dem Wiedererstarken protektionistischer Politik, vor allem unter Trump, ist dieses Modell ins Wanken geraten.

Die Frage ist nicht, ob Shein und Temu sich neu erfinden können. Die Frage ist, ob das Geschäftsmodell überhaupt in ein Umfeld passt, in dem Plattformen nicht länger Narrenfreiheit genießen – sondern zur Rechenschaft gezogen werden. Europa wird der nächste Prüfstein sein. Und der politische Wind dreht sich auch hier.

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