Atomstrom als Wachstumstreiber
Der weltweite Ausbau der Kernenergie hat längst begonnen – aber deutsche Investoren schlafen noch. Während sich Berlin mit dem Abschied von der Atomkraft rühmt, setzen über 40 Staaten auf ein Comeback der Kernspaltung.
China baut gleich 44 neue Reaktoren, Frankreich will Milliarden investieren, sogar in Polen entstehen neue Meiler. Die Internationale Energieagentur sieht eine Dynamik, wie es sie zuletzt in den 1970er-Jahren gegeben habe. Nur Deutschland bleibt draußen.
Für Anleger ergibt sich damit ein Paradoxon: Politisch tabu, wirtschaftlich vielversprechend. Sechs börsennotierte Unternehmen stehen bei Analysten besonders im Fokus – sie könnten vom neuen Reaktor-Rausch profitieren.
Rolls-Royce: Vom Jet zur Kilowattstunde
Was kaum jemand weiß: Der britische Traditionskonzern Rolls-Royce entwickelt längst nicht mehr nur Triebwerke für Flugzeuge. Mit seinen sogenannten Small Modular Reactors (SMR) will das Unternehmen zum Kerntechnologieanbieter werden – mit kleineren, vorgefertigten Reaktoren, die deutlich schneller und günstiger installiert werden können als klassische Großkraftwerke.

Das erste SMR könnte in den 2030er-Jahren ans Netz gehen. Rolls-Royce ist der klare Technologieführer im Westen in diesem Segment – und bereits bei der britischen Regierung gesetzt.
Cameco & Yellow Cake: Die Uran-Wetten
Ohne Uran keine Kernenergie. Wer also auf den Rohstoff setzt, könnte gleich mehrfach vom globalen Atom-Ausbau profitieren. Cameco, Kanadas größter Uranproduzent, gehört zu den größten Lieferanten weltweit. Das Unternehmen hat vom Uranpreisanstieg direkt profitiert – 2024 war die Aktie einer der Outperformer in Toronto.
Noch spekulativer: Yellow Cake. Die britische Holding kauft physisches Uran auf und lagert es – mit dem Ziel, vom steigenden Preis zu profitieren. Wer die Aktie kauft, wettet also nicht auf Produktion oder Technologie, sondern direkt auf das Marktangebot. 2023 und 2024 funktionierte das erstaunlich gut.
Centrica: Strom fürs neue Königreich
Auch das britische Versorgungsunternehmen Centrica will sich breiter im Atomstrom positionieren. Zwar ist der Atomanteil im Portfolio bislang noch gering, doch Zukäufe und Beteiligungen könnten das ändern.
Analysten sehen vor allem die strategische Absicht als Signal: Centrica positioniert sich für den Tag, an dem in Großbritannien neue Reaktoren Strom liefern.
Iberdrola und Endesa: Spaniens Atom-Zwiespalt
In Spanien wird offiziell der Atomausstieg verfolgt – doch die Realität sieht längst komplizierter aus. Der landesweite Stromausfall im April 2025 war ein Weckruf. Seither wird diskutiert, die bestehenden Reaktoren länger am Netz zu lassen oder gar neue kleine Meiler zu bauen.
Die Versorger Iberdrola und Endesa sind dabei zentrale Akteure – auch wenn sie offiziell auf Wind- und Solarstrom setzen. Analysten halten eine Kehrtwende in Madrid für nicht ausgeschlossen – und dann wäre Atomstrom auch für diese Konzerne wieder profitabel.
Kernkraft und Nachhaltigkeit – ein Widerspruch?
Die Frage, ob Atomenergie „grün“ ist, spaltet Investoren wie Regierungen. Die EU hatte 2022 entschieden, Kernkraft unter bestimmten Bedingungen als nachhaltige Übergangstechnologie einzustufen – sehr zum Missfallen deutscher Politiker. Doch weltweit wächst die Akzeptanz: Kernenergie gilt als CO₂-arm und stabil – ein Gegenentwurf zu wetterabhängigen Erneuerbaren.
Viele ESG-Fonds schließen zwar Atomtitel noch kategorisch aus – aber erste Anbieter, etwa Han-ETF, beobachten ein Umdenken. Tom Bailey, Head of Research bei Han-ETF, sagt:
„Langfristig könnten sich auch institutionelle Investoren wieder stärker der Kernkraft öffnen – wenn die ESG-Bewertungen an die Realität angepasst werden.“
Politisches Risiko bleibt – Renditechance auch
Klar ist: Der Einstieg in Atom-Aktien ist kein Selbstläufer. Politische Kurswechsel, regulatorische Risiken, Sicherheitsbedenken und die ungelöste Endlagerfrage bleiben massive Unsicherheiten. Auch wenn manche Unternehmen wie Rolls-Royce erst in Jahren mit nennenswerten Umsätzen rechnen können, ist das Momentum eindeutig.
Für Anleger heißt das: Wer sich mit der Kernenergie als Investmentthema anfreunden kann, sollte die sechs Titel im Auge behalten – und den internationalen Atomzug nicht verpassen, nur weil Deutschland an der Haltestelle stehen bleibt.
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