Barbershops im Visier der Ermittler
Fünf Barbershops, ein Ergebnis: Chaos. Keine Kasse, keine Buchführung, Mitarbeiter ohne Arbeitserlaubnis – die Bilanz einer Razzia in Hamburg-Harburg ist ein Schlaglicht auf eine Branche, die längst zum Problemfall geworden ist. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) fand, was sie erwartet hatte: informelle Strukturen, Scheinselbstständigkeit, und in manchen Fällen blanke Gesetzesverstöße.
Dabei gehören Barbershops und Nagelstudios längst zum Stadtbild. Sie stehen für den Boom der „schnellen Schönheit“ – günstige Preise, kein Termin, bar bezahlt. Doch die Kehrseite: Viele dieser Läden entziehen sich dem Steuersystem. Offiziell handelt es sich noch nicht um sogenannte „Schwarzarbeitsschwerpunktbranchen“. Das soll sich nun ändern.
Neues Gesetz für alte Probleme
Das „Gesetz zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung“ soll dem Schattensektor an die Substanz gehen. Geplant ist, Friseur- und Kosmetikbetriebe künftig stärker zu kontrollieren und zur Ausweispflicht für alle Beschäftigten zu verpflichten – ähnlich wie in Bau, Gastronomie oder Fleischwirtschaft.
Hintergrund: Jährlich entgehen dem Staat zweistellige Milliardenbeträge durch Steuerhinterziehung und Sozialabgabenbetrug. In manchen Fällen arbeiten Friseure und Kosmetikerinnen komplett ohne Anmeldung – oft mit prekären Löhnen, ohne Absicherung und fern jeder Kontrolle.
„Die Struktur der Branche hat sich massiv verändert“, heißt es beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Während traditionelle Betriebe ausbilden und Beiträge zahlen, locken Barbershops mit Dumpingpreisen, die kaum legal kalkuliert sein können. Für viele Handwerksbetriebe ist das nicht nur unfairer Wettbewerb, sondern eine Existenzfrage.
Zwischen Kamm und Kontrolle: Die Zollgewerkschaft schlägt Alarm
Auch die Zollgewerkschaft BDZ unterstützt den Schritt – fordert aber mehr. Neben Barbershops und Nagelstudios sollen künftig auch Landwirtschaft und Pflegebranche unter verstärkte Beobachtung geraten. In beiden Bereichen häufen sich Hinweise auf systematische Umgehung von Sozialabgaben durch Ketten von kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen.
„Wer die Regeln dauerhaft umgeht, schadet nicht nur dem Staat, sondern auch ehrlichen Arbeitgebern“, so die Gewerkschaft. Doch sie warnt zugleich: Die Liste der Schwerpunktbranchen dürfe kein Sammelbecken werden. Stattdessen brauche es eine dynamische Anpassung auf Basis von Risikobewertungen – also mehr Präzision, weniger Bürokratie.
Digitalisierung als Waffe gegen die Schattenwirtschaft
Erstmals soll der Kampf gegen Schwarzarbeit digital unterstützt werden. Der Entwurf sieht vor, dass Unternehmen künftig elektronische Unterlagen bereitstellen müssen und die Finanzkontrolle KI-gestützt Datenbanken nach Auffälligkeiten durchsuchen darf. Auch der Informationsaustausch zwischen Zoll, Polizei und Steuerfahndung soll digitalisiert werden – ein längst überfälliger Schritt, sagen Experten.
Doch Skepsis bleibt: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mahnt, der Aufwand dürfe nicht auf die Betriebe abgewälzt werden. „Eine effiziente Bekämpfung von Schwarzarbeit setzt eine nachhaltige Digitalisierung voraus“, heißt es in ihrer Stellungnahme – derzeit werde jedoch ausgerechnet bei den Hochrisikobranchen noch mit Papier gearbeitet.
Zwischen Recht und Realität
Was auf dem Papier nach effizientem Kontrollsystem klingt, stößt in der Praxis oft an Grenzen. Denn wer Schwarzarbeit bekämpfen will, muss sie erst finden. Viele Barbershops sind Kleinstbetriebe mit hoher Fluktuation, häufig in migrantischen Communitys verankert, schwer kontrollierbar und selten digitalisiert.
Hinzu kommt: Der gesetzliche Aufwand wächst, die Personaldecke beim Zoll bleibt dünn. Schon heute deckt die Finanzkontrolle laut interner Schätzung nur rund 0,15 Prozent des tatsächlichen Schadens durch Schwarzarbeit auf. Es ist ein Kampf mit stumpfem Schwert.
Kommentar: Zeit für Ehrlichkeit – auch im Kleinen
Der Barbershop an der Ecke mag harmlos wirken. Doch in der Summe steht er für ein strukturelles Problem: eine Schattenwirtschaft, die sich in den Zwischenräumen der Legalität eingerichtet hat. Wenn der Staat jetzt durchgreift, dann nicht aus Misstrauen, sondern aus Notwendigkeit.
Denn Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt. Sie zerstört fairen Wettbewerb, entzieht dem Staat Milliarden und schwächt die Sozialsysteme. Wer das ernsthaft bekämpfen will, braucht keine Symbolpolitik – sondern Daten, Personal und Konsequenz. Der neue Gesetzentwurf ist ein Anfang. Ob er wirkt, entscheidet sich nicht in Berlin, sondern im Barbershop um die Ecke.
