30. Juni, 2025

Wirtschaft

Schwächeanfall einer Supermacht

Die US-Wirtschaft wirkt robust – doch neue Zahlen deuten auf eine weit tiefere Schwäche hin. Drei Warnzeichen, die Ökonomen und Investoren beunruhigen.

Schwächeanfall einer Supermacht
Der Rückgang des realen BIP um 0,5 % im ersten Quartal 2025 übertraf alle bisherigen Schätzungen – ein Warnsignal für Investoren und Notenbanker.

Weniger Konsum, ein überraschend starker Rückgang des Bruttoinlandsprodukts und ein angeschlagener Arbeitsmarkt: Drei neue Wirtschaftsdaten aus den USA geben Anlass zur Sorge.

Offiziell ist keine Rezession in Sicht, doch unter der Oberfläche zeigen sich Risse, die größer sind als bislang angenommen.

BIP-Rückgang tiefer als erwartet

Das Bureau of Economic Analysis hat seine dritte Schätzung für das US-BIP im ersten Quartal 2025 veröffentlicht – und die fällt deutlich schlechter aus als angenommen: Statt eines Rückgangs um 0,2 % wie ursprünglich erwartet, ist die größte Volkswirtschaft der Welt real um 0,5 % geschrumpft.

Es ist der erste Rückgang seit dem Jahr 2022. Besonders beunruhigend: Der überarbeitete Rückgang wurde vor allem durch schwächelnde Konsumausgaben ausgelöst – eigentlich der Motor der US-Wirtschaft.

Der Konsum stieg im ersten Quartal nur noch um 0,5 % – im Vergleich zu satten 4 % im Vorquartal. Das ursprüngliche Wachstum von 1,8 % musste damit signifikant nach unten korrigiert werden. Für eine Wirtschaft, deren Wachstum zu rund zwei Dritteln vom privaten Konsum getragen wird, ist das ein Warnsignal.

Erstmals seit der Pandemie sank der reale Konsum im Mai – ein Minus von 0,3 % zeigt: Die Kaufkraft schwindet, trotz stabiler Beschäftigungszahlen.

Konsum bricht im Mai unerwartet ein

Dazu passt: Auch der Blick in den Mai verheißt nichts Gutes. Der reale Konsum ging im Monatsvergleich um 0,3 % zurück – ein seltener Rückgang, der zuletzt nur in der Corona-Krise und während der Finanzkrise 2008 zu beobachten war. Besonders stark betroffen: Der Autokauf. Die Ausgaben für Fahrzeuge und Teile brachen um 6 % ein.

Wirtschaftsexperten sehen den Rückgang als Wendepunkt. „Das ist kein Einmaleffekt, sondern deutet auf eine strukturelle Abkühlung hin“, so Lydia Boussour, Chefvolkswirtin bei EY-Parthenon.

Grund seien nachlassende Lohnzuwächse, stagnierende Jobchancen und die neuen Zölle der Trump-Regierung, die Konsumgüter verteuern. Viele Haushalte dürften sich in den kommenden Monaten mit größeren Anschaffungen zurückhalten.

Arbeitsmarkt: Der Glanz ist weg

Auch vom einst strahlenden US-Arbeitsmarkt kommen trübe Signale. Die Zahl derjenigen, die seit mehr als 27 Wochen arbeitslos sind, liegt bei 1,5 Millionen. Gleichzeitig steigen die sogenannten „continuing claims“ – also fortgesetzte Anträge auf Arbeitslosengeld – und erreichten mit fast 2 Millionen ein neues Hoch seit November 2021.

Auffällig: Während die Erstanträge auf Arbeitslosengeld relativ stabil bleiben, häufen sich die Fälle, in denen Menschen länger arbeitslos bleiben. Es gibt weniger neue Stellen, vor allem im White-Collar-Segment.

Flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice sind schwerer zu finden. Und auch der viel zitierte „Great Resignation“-Effekt ist vorbei – Job-Hopping lohnt sich kaum noch, weil die Lohnzuwächse für Jobwechsler spürbar nachlassen.

Keine Panik, aber viel Unsicherheit

Noch ist keine Rezession ausgerufen. Doch das Bild der US-Wirtschaft trübt sich merklich ein. Die Federal Reserve bleibt in der Zwickmühle: Die Konjunktur schwächt sich ab, aber die Inflation könnte durch neue Zölle wieder angeheizt werden. Zinssenkungen sind unwahrscheinlicher geworden, was wiederum die Belastung für Verbraucher und Unternehmen erhöht.

Für Investoren, Ökonomen und politische Entscheidungsträger gilt: Die Oberfläche der US-Wirtschaft mag stabil wirken – doch darunter rumort es. Wer heute noch von einer „soft landing“-Strategie spricht, ignoriert die zunehmenden Verwerfungen.

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