Der Kursanstieg kommt nicht zufällig. Während Anleger bei klassischen Rüstungswerten zum Wochenstart Gewinne mitnahmen, zog Schaeffler an ihnen vorbei. Mit knapp acht Euro markierte die Aktie den höchsten Stand seit mehr als vier Jahren. Entscheidend war weniger die Tagesbewegung als die Botschaft dahinter: Schaeffler wird zunehmend als Industrieplattform mit Verteidigungsoption wahrgenommen.
Der Markt hört genau hin, wenn Rosenfeld spricht
Auslöser der jüngsten Bewegung war ein Interview von Vorstandschef Klaus Rosenfeld. Darin machte er deutlich, dass das Unternehmen künftig breiter aufgestellt sein will als bisher. Das Kerngeschäft bleibt dominant, aber nicht exklusiv. Bis 2035 sollen rund zehn Prozent des Umsatzes aus neuen Geschäftsfeldern stammen.
Rechnet man mit einem Konzernumsatz von 30 bis 35 Milliarden Euro, ergibt sich ein zusätzliches Volumen von mindestens drei Milliarden Euro. Entscheidend ist der Zusatz: Dieses Wachstum wird nicht allein aus der Verteidigung kommen, aber ohne Verteidigung offenbar auch nicht.
Rüstung wird bei Schaeffler vom Randthema zur Option
Schaeffler ist kein klassischer Rüstungskonzern. Genau das macht die Geschichte für Investoren attraktiv. Das Unternehmen bringt industrielle Kompetenz, Skalierung und Fertigungstiefe mit – Fähigkeiten, die im Verteidigungsbereich zunehmend gefragt sind.
Die bereits angekündigte Kooperation mit dem Drohnen-Spezialisten Helsing war der erste sichtbare Schritt. Die jüngsten Aussagen des CEO wirken nun wie eine Bestätigung, dass diese Partnerschaft kein Einzelfall bleibt. Am Markt wird das als strategische Öffnung gelesen, nicht als kurzfristige Fantasie.
Abgrenzung zu klassischen Rüstungswerten gelingt
Während Rheinmetall, Hensoldt oder Renk stark gelaufen sind und inzwischen als voll eingepreist gelten, steht Schaeffler noch am Anfang dieser Neubewertung. Das Unternehmen profitiert davon, dass es nicht ausschließlich auf Verteidigung setzt.
Für Anleger bedeutet das ein anderes Risikoprofil. Schaeffler bleibt abhängig von Automobil, Industrie und Konjunktur, erhält aber zusätzliche Optionen. Genau diese Mischung hebt den Wert aktuell von reinen Rüstungsstories ab.
Robotik liefert die zweite Wachstumserzählung
Parallel zur Rüstungsfantasie treibt ein zweites Thema die Bewertung: Robotik. Rosenfeld bezeichnet humanoide Roboter ausdrücklich nicht als Nische, sondern als künftiges Milliardengeschäft. Das ist eine bewusste Ansage an den Kapitalmarkt.
Die Partnerschaft mit Neura Robotics unterstreicht diesen Anspruch. Schaeffler will nicht nur Komponenten liefern, sondern die Technologie auch in den eigenen Werken einsetzen. Das schafft Glaubwürdigkeit. Wer Robotik selbst produktiv nutzt, spricht anders darüber als jemand, der nur auf Nachfrage hofft.

Verdopplung seit April verändert die Perspektive
Seit dem Tief im April hat sich die Aktie mehr als verdoppelt. Ein Teil dieser Bewegung speist sich aus der allgemeinen Erholung zyklischer Werte, ein anderer aus Zukunftserzählungen. Robotik, Rüstung, Automobilbelebung – Schaeffler bedient mehrere Narrative gleichzeitig.
Das erhöht die Attraktivität, aber auch die Erwartungen. Der Markt honoriert derzeit die strategische Offenheit und die klare Kommunikation. Ob daraus nachhaltige Erträge entstehen, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.
Die Aktie lebt von Glaubwürdigkeit, nicht von Zahlen
Kurzfristig stützt keine neue Prognose, kein Auftragseingang und keine Margenverbesserung den Kurs. Es ist Vertrauen in die Richtung, nicht in die Kennzahl. Der Markt glaubt, dass Schaeffler rechtzeitig die richtigen Felder besetzt.
Das ist Chance und Risiko zugleich. Solange die Erzählung konsistent bleibt, trägt sie. Bricht sie, fehlt der defensive Anker, den klassische Rüstungswerte bieten.
Schaeffler steht an einer Schwelle
Die Aktie markiert ein Mehrjahreshoch, aber vor allem markiert sie einen strategischen Übergang. Schaeffler wird nicht zum Rüstungskonzern, aber zum relevanten Zulieferer in sicherheitsrelevanten Industrien. Ergänzt um Robotik entsteht ein Profil, das Investoren aktuell überzeugt.
Noch ist das alles Zukunftsmusik. Doch der Markt handelt bekanntlich Erwartungen. Und im Moment lautet diese Erwartung: Schaeffler ist mehr als ein Autozulieferer – und genau das treibt den Kurs.


