Schonungslos umgerechnet – die Kläger ziehen vor Gericht
Schaeffler vollzog im Oktober 2024 die Übernahme von Vitesco – 30 ehemalige Vitesco-Aktionäre haben nun ein sogenanntes Spruchverfahren eingereicht. Ihr Vorwurf: Das Umtauschverhältnis von 1 Vitesco-Aktie gegen 11,4 Schaeffler-Aktien sei viel zu niedrig. Gutachter im Auftrag der Kläger kamen auf Werte von bis zu 37,1 Schaeffler-Aktien pro Vitesco-Anteil.
„Cash ist nicht King – Aufträge sind es“
Die Kläger argumentieren, Vitesco habe bereits 2023 ein Auftragsvolumen von rund 32 Milliarden Euro im Bereich E-Mobilität gehabt – weit höher als damals kommuniziert.
Dieses Zukunftsgeschäft sei bei der Bewertung deutlich untergewichtet worden. Der Vorwurf: Schaeffler habe gezielt die Wachstumsaussichten von Vitesco kleingerechnet und das eigene Kerngeschäft schöngerechnet.
Rivalen unter einem Dach – aber Zukunft bleibt strittig
Die Fusion sollte laut Schaeffler Synergien heben. Doch viele Analysten und Investoren sehen eher das Gegenteil: Der „Konzernierungseffekt“ bringe höhere Komplexität, aber keinen realen Mehrwert.
Während das klassische Schaeffler-Geschäft unter dem Rückgang der Verbrennertechnik leidet, florierte Vitescos Elektrosparte zuletzt spürbar – was die Kritik an der Bewertung verstärkt.

Deal war unfair – trotz vermeintlicher Prämie
Schaeffler bot ursprünglich 91 Euro je Aktie, später 94 Euro – für viele Investoren ein zu geringer Aufschlag, insbesondere gemessen an Vitescos Entwicklung. Zwar hielt Schaeffler schon vor der Fusion knapp 50 % der Anteile, ein weiterer Anteil lag beim Vitesco-Aufsichtsratschef – ein enger Vertrauter der Schaeffler-Familie. Am Ende wurde der Deal durchgesetzt – nun wird er juristisch aufgearbeitet.
Technikwerte gegen Old Economy – wirtschaftlicher Unsinn?
Vitesco steht für Elektromobilität, Automatisierung und Softwarekompetenz. Schaeffler für Wälzlager, Kupplungen und mechanische Komponenten.
Die Kläger sehen darin einen grundlegenden Zielkonflikt – und befürchten, dass mit der Verschmelzung eine Zukunftstechnologie „verwässert“ wurde. Der Streit dreht sich also nicht nur ums Geld, sondern auch um Strategie und Ausrichtung.
Gericht prüft, Entscheidung erst 2026
Das Verfahren ist in einer frühen Phase. Alle Beteiligten reichen derzeit ihre Schriftsätze ein. Das Landgericht Nürnberg erwartet bis Herbst alle Eingaben, eine Entscheidung wird erst im Frühjahr 2026 erwartet.
Die zentrale Frage lautet: War der Vitesco-Deal ein fairer Zusammenschluss zweier Konzerne – oder ein fragwürdiger Kraftakt auf dem Rücken langfristig orientierter Anleger?
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