25. Oktober, 2025

Unternehmen

Salesforce stolpert in der KI-Revolution – wenn Visionen größer sind als Umsätze

Marc Benioff wollte Salesforce zum Pionier des KI-Zeitalters machen. Doch während Konkurrenten wie Microsoft und Oracle Rekordergebnisse feiern, steckt der einstige Branchenstar fest. Die Probleme von Salesforce sind ein Weckruf für die gesamte Tech-Industrie.

Salesforce stolpert in der KI-Revolution – wenn Visionen größer sind als Umsätze
Der Kurs im Sinkflug: Seit Jahresbeginn hat Salesforce fast 30 Prozent an Wert verloren – das schwächste Ergebnis unter den großen Tech-Titeln.

Der Traum vom magischen Wandel

In San Francisco spricht Marc Benioff von „Magie“. Von der „Revolution der KI-Agenten“, die Unternehmen automatisieren und die Wirtschaft neu formen werde. Es ist der große Moment auf seiner Dreamforce-Konferenz – der Bühne, auf der Salesforce traditionell die Zukunft des Digital Business ausruft. Doch diesmal wirkt die Begeisterung aufgesetzt.

Denn die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Der Aktienkurs ist seit Jahresbeginn um 27 Prozent eingebrochen. Die Umsätze stagnieren. Und aus der vollmundig angekündigten KI-Offensive ist bislang mehr Vision als Realität geworden.

Salesforce, einst der Inbegriff des Cloud-Erfolgs, scheint die Kontrolle über das eigene Narrativ zu verlieren.

KI-Revolution ohne Umsatzsprung

Eigentlich hatte Benioff alle Voraussetzungen auf seiner Seite. Salesforce, der weltweit führende Anbieter von CRM-Software, verwaltet Kundendaten, Verkaufsprozesse und Marketingkampagnen für über 150.000 Unternehmen. Wenn KI in einem Bereich greift, dann dort.

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Erstmals wagt ein deutsches Unternehmen den Schritt, den Michael Saylor weltberühmt gemacht hat: schuldenfinanzierte Bitcoin-Käufe als Teil der Unternehmensstrategie. Das Dresdner Fintech Aifinyo folgt dem US-Vorbild – und setzt damit auf ein riskantes Modell zwischen Innovation und Spekulation.

Doch die Bilanz fällt ernüchternd aus: Nur etwa 12.000 Firmen nutzen die neuen KI-Agenten – weniger als zehn Prozent der Bestandskunden. Und von diesen bezahlt nur die Hälfte. Der Umsatz wuchs im letzten Quartal um zehn Prozent auf 10,2 Milliarden Dollar – zu wenig, gemessen an den Erwartungen, die der Konzern selbst geschürt hatte.

Die Anleger reagieren entsprechend: Während Microsoft dank seiner Partnerschaft mit OpenAI floriert und Oracle im Cloud-Geschäft boomt, verliert Salesforce an Strahlkraft. Analysten fragen offen, ob Benioffs KI-Strategie in der Praxis überhaupt tragfähig ist.

Die Konkurrenz schläft nicht

Das Problem: Salesforce ist nicht allein. Tech-Riesen wie Microsoft, Google oder Amazon investieren Milliarden in eigene KI-Plattformen, während Start-ups mit frischen Ideen und weniger Altlasten den Markt aufrollen.

Mit „Agentforce 360“ versucht Salesforce nun gegenzuhalten – einer Plattform, die Sprachsteuerung, Datenintegration und Automatisierung verbinden soll. Finanzchefin Robin Washington verspricht bis 2030 wieder steigendes Wachstum und Erlöse über 60 Milliarden Dollar. Doch der Markt bleibt skeptisch.

Kritiker aus der Branche sagen, Salesforce habe den Anschluss verloren. Das Produktportfolio sei austauschbar, während SAP und Oracle ihre Software tief in die Geschäftsprozesse der Kunden eingebettet hätten. Wer nur Werkzeuge liefert, aber keine Systeme, riskiert, überflüssig zu werden – besonders in einer Ära, in der generative KI viele Prozesse ohnehin selbst steuert.

Vertrauen ist das neue Kapital

Ein weiteres Problem kommt hinzu: Misstrauen. Kunden klagen über unklare Kosten, Sicherheitsrisiken und mangelnde Transparenz bei den KI-Diensten. Die Versprechen sind groß, die Resultate oft ernüchternd.

So warnen IT-Sicherheitsfirmen vor der leichten Manipulierbarkeit von KI-Systemen – ein Risiko, das Salesforce erst spät öffentlich einräumte. Nach Kritik von Kunden musste der Konzern sogar ein zuvor aufgelöstes internes Ethikteam wieder einführen.

Auch das Kostenmodell sorgt für Unmut: Viele Unternehmen wissen nicht, wie teuer der Einsatz eines Agenten am Ende wird, weil pro Anfrage abgerechnet wird. „Manche CFOs erleben ihr blaues Wunder“, kommentiert ein Branchenberater.

Das Muster hinter dem Problem

Salesforce ist kein Einzelfall, sondern Symptom einer Branche, die sich in ihrer eigenen Erzählung verloren hat. Nach dem Hype um ChatGPT wollten alle Tech-Konzerne schnell Teil der „KI-Revolution“ sein – mit neuen Produkten, neuen Namen, neuen Versprechen. Doch die Monetarisierung bleibt schwierig.

Künstliche Intelligenz ist teuer im Betrieb, erfordert immense Rechenleistung und ständige Überwachung. Unternehmen fragen sich zunehmend, ob sich der Aufwand lohnt. Während einige KI-Anwendungen echte Produktivitätssprünge ermöglichen, entpuppen sich andere als kostspielige Experimente.

Das Vertrauen in die Technologie wackelt – und das trifft vor allem jene Firmen, die ihre Zukunft allein auf sie gebaut haben.

Benioffs Dilemma

Marc Benioff bleibt Optimist. Auf der Bühne spricht er weiter von „magischen Agenten“, die Arbeit und Kommunikation revolutionieren. Doch hinter den Kulissen weiß man: Ohne neue Umsatzquellen droht Salesforce, in der zweiten Liga der Tech-Welt zu landen.

Die Aktie befindet sich auf einem Zehnjahrestief, das Verhältnis zwischen Unternehmenswert und Cashflow ist so niedrig wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Analysten von Jefferies sprechen von einer „Überreaktion“ des Marktes – fügen aber hinzu: „Solange Salesforce keinen klaren Nachweis liefert, dass sich KI monetarisieren lässt, bleibt der Gegenwind bestehen.“

Ein Weckruf für die Branche

Salesforce steht an einem Scheideweg – und mit ihm die gesamte KI-Industrie. Der Fall zeigt, dass selbst Milliardeninvestitionen und große Worte keine Garantie für Erfolg sind.

Der Traum von der vollautomatisierten Wirtschaft wird nur Realität, wenn KI tatsächlich Mehrwert schafft – nicht nur an der Börse, sondern im Alltag der Unternehmen. Solange diese Beweise fehlen, bleibt auch die Magie von Marc Benioff nur eines: ein gut inszenierter Zaubertrick.

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