Die Entscheidung trifft Ryanair in einer Phase, in der die Aktie nach einem starken Börsenjahr zuletzt konsolidiert. Operativ läuft es gut, die Nachfrage bleibt hoch, die Kostenbasis ist im Branchenvergleich niedrig. Umso unangenehmer kommt der regulatorische Gegenwind aus Italien.
Kartellwächter sehen systematische Behinderung
Nach Angaben der italienischen Wettbewerbsbehörde soll Ryanair zwischen April 2023 und April 2025 gezielt Buchungen über Drittanbieter wie Online-Reisebüros erschwert oder blockiert haben. Konkret werfen die Wettbewerbshüter dem Konzern vor, technische Maßnahmen eingesetzt zu haben, um Flüge nicht mehr mit Zusatzleistungen wie Anschlussflügen oder Versicherungen kombinierbar zu machen.
Damit habe Ryanair seine erhebliche Marktmacht ausgenutzt, um Reisebüros aus dem Vertrieb zu drängen und Kunden stärker an die eigene Buchungsplattform zu binden. Untersuchungen der Behörde zufolge habe der Konzern bereits Ende 2022 damit begonnen, entsprechende Einschränkungen zu prüfen und ab Frühjahr 2023 konsequent umzusetzen.
Erst im April 2025 sei das Buchungssystem wieder geöffnet worden, sodass Drittanbieter bei ordnungsgemäßer Implementierung erneut Zugang erhalten hätten. Nach Ansicht der Kartellbehörde war der Wettbewerb bis dahin jedoch spürbar verzerrt.

Ryanair spricht von „bizarrer Entscheidung“
Der Konzern weist die Vorwürfe scharf zurück. Die Entscheidung sei rechtlich nicht haltbar und werde angefochten, teilte Ryanair mit. Man berufe sich dabei auf eine frühere Entscheidung eines Gerichts in Mailand, das das Geschäftsmodell des Unternehmens bestätigt habe.
Aus Sicht des Managements geht es um die Kontrolle über den eigenen Vertrieb und um den Schutz vor aus Konzernsicht intransparenten oder fehlerhaften Buchungen über Drittanbieter. Ryanair argumentiert seit Jahren, dass Reisebüros Zusatzleistungen verkaufen, die Kunden nicht bestellt hätten, und so das Markenimage beschädigten.
Mehr als nur eine Geldstrafe
Finanziell ist die Strafe für Ryanair verkraftbar. Der Konzern verdient Milliarden, die Liquiditätslage ist solide. Problematischer ist die Signalwirkung. Der Fall reiht sich ein in eine Serie regulatorischer Auseinandersetzungen zwischen Plattformunternehmen und Wettbewerbshütern in Europa.
Sollte die Entscheidung Bestand haben, könnte sie den Handlungsspielraum von Ryanair und anderen Airlines beim Direktvertrieb einschränken. Gleichzeitig dürfte der Druck auf andere Länder wachsen, ähnliche Praktiken zu prüfen. Für Ryanair steht damit nicht nur Geld auf dem Spiel, sondern ein zentraler Baustein des Geschäftsmodells.
Börse reagiert zunächst gelassen
Am Markt blieb die Reaktion zunächst verhalten. Die Aktie zeigte leichte Schwäche, ohne größere Ausschläge. Anleger scheinen darauf zu setzen, dass Ryanair juristisch erfolgreich sein oder zumindest eine Reduzierung der Strafe erreichen könnte.
Langfristig bleibt die Frage, wie aggressiv der Konzern seinen Direktvertrieb künftig noch durchsetzen kann. Das Billigflugmodell lebt von niedrigen Kosten und maximaler Kontrolle über Zusatzumsätze. Genau hier setzen die Kartellwächter an.
Der Konflikt ist damit nicht beendet, sondern eröffnet eine neue Runde – vor Gericht und möglicherweise auch auf europäischer Ebene. Für Ryanair gilt: Die Strafe ist hoch, der Präzedenzfall noch teurer.


