Es braucht manchmal einen Impuls von außen, um lange festgefahrene Kursverläufe zu lösen. Bei RWE kam dieser nun ausgerechnet aus Seattle.
Der Energiekonzern hat eine umfassende Partnerschaft mit Amazon Web Services (AWS) verkündet, die an der Börse prompt für neue Fantasie sorgt. Nach Monaten zäher Seitwärtsbewegung gehörte die Aktie am Freitag plötzlich zu den stärksten Werten im DAX.
1,1 Gigawatt für Amazons Cloud-Maschinen
Kern der Vereinbarung sind sogenannte Power Purchase Agreements (PPAs), also langfristige Stromabnahmeverträge. Amazon wird künftig mit grünem Strom aus RWE-Wind- und Solarparks in den USA versorgt – insgesamt geht es um eine Leistung von 1,1 Gigawatt.
Teile der Anlagen produzieren bereits Strom, weitere Kapazitäten befinden sich noch im Bau. Für Amazon ist der Deal Teil der konzernweiten Strategie, seine energieintensiven Rechenzentren vollständig klimaneutral zu betreiben.
Für RWE bedeutet das vor allem eins: Planungssicherheit. In einer Branche, in der volatile Börsenstrompreise oft das Geschäft belasten, sorgen langfristige Abnahmeverträge für stabile Einnahmen und solide Cashflows. Und das in einem Volumen, das auch bei einem Konzern dieser Größenordnung ins Gewicht fällt.
Amazon liefert mehr als nur Kunden
Doch die Partnerschaft geht weit über reine Stromlieferungen hinaus. RWE wird künftig verstärkt auf die Cloud- und KI-Dienste von AWS setzen. Schon jetzt habe man im Handelsgeschäft durch den Einsatz moderner Datenanalyse- und KI-Werkzeuge die Performance um rund 30 Prozent verbessern können, betont der Konzern.
Auch für die Optimierung des Anlagenbetriebs und für Prognosen zur Stromerzeugung soll die AWS-Technologie künftig eine wichtige Rolle spielen.

Damit setzt RWE seinen Digitalisierungskurs konsequent fort. Im internationalen Vergleich ist der Essener Konzern in diesem Bereich zwar kein Pionier – doch Partnerschaften wie mit AWS könnten helfen, das Rückstandspotenzial abzubauen und gleichzeitig operative Effizienzgewinne zu realisieren.
Investoren werten den Schritt als Signal
Die Börse jedenfalls honorierte den Deal. Während der Gesamtmarkt zuletzt schwächelte, setzte sich die RWE-Aktie an die Spitze des DAX. Analysten wie bei Barclays sprechen von „positiver Aufmerksamkeit“ unter Investoren.
Dass ausgerechnet der weltgrößte Rechenzentrumsbetreiber AWS auf RWE als Partner setzt, wertet die Bank als Beleg für die strategische Relevanz des Deals.
Für RWE kommt die Bewegung zur rechten Zeit. Über Jahre hinweg war der Kurs zwar stabil, aber uninspiriert verlaufen.
Die Neuausrichtung hin zu Erneuerbaren brachte zwar medialen Applaus, ließ sich bislang aber nur bedingt in steigenden Aktienkursen messen. Mit dem Amazon-Deal bekommt das Narrativ des Konzerns – verlässlicher Partner für die Energiewende, auch international – nun eine zusätzliche Aufwertung.
Klimaziele bleiben ehrgeizig
RWE hat sich verpflichtet, bis spätestens 2040 klimaneutral zu arbeiten. Der Deal mit Amazon passt gut in dieses Zielbild. Denn während viele US-Versorger noch über den Kohleausstieg diskutieren, wächst RWE längst stark im internationalen Geschäft mit Wind- und Solarenergie, insbesondere in den USA.
Zugleich ist Amazon kein Einzelfall: Viele Technologie- und Großkonzerne benötigen für ihre Nachhaltigkeitsziele riesige Mengen grünen Stroms. Für Anbieter wie RWE öffnen sich damit gewaltige Märkte – solange sie liefern können.
Ein erster Vorgeschmack auf mehr?
Ob die Kursrally nachhaltig ist, wird sich zeigen. Doch die Börse signalisiert erstmals seit längerer Zeit, dass sie RWE wieder auf dem Schirm hat – nicht nur als Altlast aus der fossilen Energiewelt, sondern als moderner globaler Player im Zukunftsgeschäft grüner Energie und Digitalisierung.
Für CEO Markus Krebber könnte die Kooperation mit Amazon daher mehr sein als nur ein großer Auftrag: Vielleicht markiert sie den Punkt, an dem der Markt endlich beginnt, RWE als das zu bewerten, was der Konzern werden will.
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