11. September, 2025

Wirtschaft

Rückgang der Streiks bei steigender Beteiligung: Fokus der Arbeitskonflikte in Deutschland

Eine aktuelle Analyse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung weist darauf hin, dass die Anzahl der Streiks in Deutschland im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist. Konkret wurden 286 Arbeitskämpfe registriert, was einem Rückgang von 26 gegenüber dem Vorjahr entspricht. Diese Arbeitskämpfe fanden häufig im Kontext steigender Inflation statt, die damit einhergehende Lohnforderungen und verbesserte Arbeitsbedingungen befeuerten. Besonders bemerkenswert ist, dass es sich bei der Mehrzahl der Streiks um Warnstreiks handelte; unbefristete Erzwingungsstreiks nach einer Urabstimmung waren weiterhin die Ausnahme.

Trotz der geringeren Anzahl an Streiks stieg die Anzahl der beteiligten Arbeitnehmer im Jahr 2023. Rund 912.000 Personen nahmen an Arbeitskämpfen teil, was einem Anstieg von 55.000 Teilnehmern im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Interessanterweise führte dies nicht zu einer höheren Anzahl von Ausfalltagen. Insgesamt wurden 946.000 Ausfalltage verzeichnet, verglichen mit 1,5 Millionen im Jahr zuvor. Dieser Rückgang ist vor allem auf die kürzere Dauer der einzelnen Streiks sowie auf umfassende Warnstreiks, wie sie etwa in der Metall- und Elektroindustrie stattfanden, zurückzuführen. Unternehmen wie Volkswagen und der kommunale Nahverkehr waren insbesondere von diesen Maßnahmen betroffen.

Ein charakteristisches Merkmal der Streiklandschaft im Jahr 2023 ist, dass die meisten Arbeitskämpfe nicht im Rahmen von Flächentarifverhandlungen, sondern auf Ebene einzelner Unternehmen stattfanden. Dies wird hauptsächlich dadurch verursacht, dass zahlreiche Firmen ihre Mitgliedschaft in Flächentarifverträgen beendet haben, woraufhin Gewerkschaften vermehrt Haustarifverträge anstreben. Diese Entwicklung hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Tariflandschaft in Deutschland.

Im internationalen Vergleich bleibt die Anzahl der Streiktage in Deutschland eher niedrig. Zwischen den Jahren 2014 und 2023 wurden durchschnittlich nur 21 Streiktage pro 1.000 Beschäftigte verzeichnet, was Deutschland in eine ähnliche Kategorie wie die Niederlande und die USA einordnet. Kanada stellt hierbei mit 108 Ausfalltagen den Spitzenreiter dar, was die relativen Unterschiede zwischen den Ländern klar illustriert.

Dennoch ist nicht jeder Streik von Erfolg gekrönt. So verlief der Arbeitskampf beim Schrott- und Recyclingunternehmen SRW Metalfloat auch nach 180 Streiktagen ohne den gewünschten Abschluss eines Tarifvertrags. Auch im Fall von großen Unternehmen wie Amazon und Zalando zieht sich der Arbeitskampf in die Länge. Zunehmend greifen Unternehmen zu gerichtlichen Maßnahmen, um Streiks abzuwenden, was die Ressourcen der Gewerkschaften beansprucht und das Risiko solcher Aktionen erhöht.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) beschreibt die gegenwärtige "hohe Konfliktbereitschaft" als Folge hoher Lohnforderungen und einer insgesamt stagnierenden Wirtschaftslage. Besonders im Einzel-, Groß- und Außenhandel waren die Auseinandersetzungen intensiv. Im Kontrast hierzu verliefen die Tarifverhandlungen in der chemischen Industrie, der Papiererzeugung sowie im bayerischen Hotel- und Gaststättengewerbe weitgehend friedlich, was auf branchenspezifische Besonderheiten zurückzuführen ist.