Kiel prescht vor – ohne Rücksicht auf Betriebe
Die Landesregierung in Kiel will Unternehmen verpflichten, Mitarbeiter für bis zu fünf Tage pro Jahr für Wehrübungen freizustellen – selbst gegen den Willen des Arbeitgebers. Begründet wird der Schritt mit der sicherheitspolitischen Lage und dem wachsenden Bedarf an Reservisten.
Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) betont: „Reservisten sind ein unverzichtbarer Teil der Bundeswehr.“
Der rechtliche Weg ist ungewöhnlich: Statt einer bundeseinheitlichen Regelung wird das Landes-Weiterbildungsgesetz genutzt, um die Pflicht einzuführen.

Wirtschaft läuft Sturm
Die Reaktionen der Arbeitgeber fallen scharf aus. „Eine bedingungslose Freistellung ohne Zustimmung darf es nicht geben“, warnt Michael Thomas Fröhlich, Hauptgeschäftsführer von UV Nord.
Besonders mittelständische Betriebe, die ohnehin unter Fachkräftemangel leiden, sehen sich überfordert. Die Sorge: Zwangsfreistellungen könnten Schlüsselpositionen in Werkshallen, Kliniken oder Handwerksbetrieben lahmlegen.
Forderung nach finanzieller Entlastung
Volker Schmidt vom Arbeitgeberverband Niedersachsen-Metall fordert statt Zwang „volle Kostenerstattung“ und Planungssicherheit. Seine Idee: eine Art Leihgebühr für Unternehmen, die regelmäßig Reservisten abstellen.

Das Geld soll direkt und unbürokratisch fließen – ähnlich wie bei Zulagen für forschungsintensive Betriebe. Ohne solche Anreize, so Schmidt, drohe die Akzeptanz der Wirtschaft zu kippen.
Handwerk in Alarmstimmung
Auch ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke warnt vor den Folgen: Kleine und mittlere Betriebe könnten Ausfälle kaum abfedern. „Wer in der Krise Stromleitungen repariert, medizinische Geräte instand hält oder Lebensmittel sichert, trägt bereits entscheidend zur Sicherheit bei“, betont er. Wehrübungen dürften nicht zulasten dieser unverzichtbaren Strukturen gehen.
Gesetz erlaubt längst Zwang – aber ohne Debatte
Das Verteidigungsministerium verweist darauf, dass das Soldatengesetz schon heute eine Dienstverpflichtung auch ohne Zustimmung von Arbeitgebern ermöglicht. Doch diese Möglichkeit wurde bisher nie konsequent angewandt – aus Rücksicht auf die Wirtschaft und aus Angst vor Akzeptanzverlust. Nun bringt Kiel den Streit mit voller Wucht auf die politische Agenda.
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