Die Generationenklausel – ein Aufstand aus den eigenen Reihen
Es ist eine Rebellion, wie sie die CDU/CSU-Fraktion seit Jahren nicht erlebt hat. 18 junge Abgeordnete, vereint in der sogenannten „Jungen Gruppe“, kündigen offen an, das Rentenpaket der Bundesregierung abzulehnen – und bringen damit den selbsternannten „Herbst der Reformen“ von Friedrich Merz ins Wanken.
Ihre Begründung ist so simpel wie brisant: Das Gesetz, so heißt es in einem internen Beschluss, sei „das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts“. Gemeint sind nicht kurzfristige Mehrbelastungen, sondern langfristige Folgekosten – 115 Milliarden Euro bis 2040, die laut Berechnungen nicht durch den Koalitionsvertrag gedeckt sind.
115 Milliarden Euro für Stabilität – oder für Stimmen?
Das geplante Gesetz soll das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent stabil halten und über diesen Zeitraum hinaus um ein weiteres Prozent anheben. Was nach sozialer Sicherheit klingt, bedeutet für den Bundeshaushalt eine gewaltige Hypothek. Allein zwischen 2032 und 2040 würden laut Bundestagskalkulationen zusätzliche Kosten von über 115 Milliarden Euro entstehen – Geld, das künftige Generationen schultern müssten.
Kritiker in der Union sprechen hinter vorgehaltener Hand von einem „sozialpolitischen Kuhhandel“ zwischen CDU und SPD. Denn die CSU hatte im Wahlkampf die Ausweitung der Mütterrente versprochen, während die SPD auf die Haltelinie beim Rentenniveau pochte. Das Ergebnis: eine Reform, die zwar Rentner kurzfristig entlastet, aber die langfristige Tragfähigkeit des Systems gefährdet.
Friedrich Merz unter Druck – die erste offene Machtprobe
Für den Kanzler kommt der Aufstand zur Unzeit. Merz wollte den Herbst nutzen, um mit Strukturreformen zu punkten und wirtschaftspolitische Kompetenz zu beweisen. Nun droht ausgerechnet ein sozialpolitisches Projekt zum Stolperstein zu werden.
Mit nur zwölf Stimmen Mehrheit im Bundestag reicht der geschlossene Widerstand der „Jungen Gruppe“, um das Gesetz zu Fall zu bringen. Ihr Sprecher Pascal Reddig (CDU) formulierte es gegenüber dem Spiegel ungewöhnlich scharf:
„Die jungen Menschen dürfen nicht zusätzlich belastet werden, nur weil sie in der Unterzahl sind.“
Ein Satz, der zwischen den Zeilen mehr Sprengkraft hat als so manche Haushaltsdebatte.
Die Zerreißprobe zwischen Alt und Jung
Die Fronten verlaufen diesmal nicht zwischen Parteien, sondern zwischen Generationen. Während die ältere Garde der Union Stabilität und Verlässlichkeit beschwört, fordern die Jüngeren Nachhaltigkeit und fiskalische Verantwortung. Der Konflikt offenbart ein altes Dilemma deutscher Sozialpolitik: Jede Reform, die den Status quo erhält, verschiebt die Rechnung auf später.
Ökonomen warnen seit Jahren, dass das Umlagesystem in seiner jetzigen Form an strukturellen Grenzen stößt. Der demografische Wandel beschleunigt sich – auf einen Rentner kommen bald nur noch 1,4 Erwerbstätige. Jede zusätzliche Rentengarantie erhöht die implizite Staatsverschuldung, ohne dass die Politik dafür Rücklagen bildet.
Ein Signal an die Finanzmärkte
Die Märkte beobachten die Debatte genau. Ein dauerhaft höheres Rentenniveau könnte den ohnehin angespannten Bundeshaushalt zusätzlich belasten – insbesondere in Zeiten steigender Zinskosten und wachsender Ausgaben für Verteidigung und Klimaschutz. Internationale Investoren sehen darin ein Risiko für die fiskalische Glaubwürdigkeit Deutschlands.
Sollte das Paket scheitern, wäre das politisch ein Rückschlag für Merz, ökonomisch jedoch ein Signal, dass zumindest ein Teil der Union den langfristigen Kurs in der Haushaltspolitik nicht aufgegeben hat.
Ein Streit mit Symbolkraft
Der Konflikt um das Rentenpaket ist mehr als eine parteiinterne Meinungsverschiedenheit. Er steht für die Grundfrage, ob Deutschland bereit ist, kurzfristige soziale Wohltaten zugunsten langfristiger Stabilität aufzugeben.
Denn während die Regierung Stabilität verspricht, fordern die jungen Abgeordneten Verantwortung. Sollte sich ihre Linie durchsetzen, wäre das ein Wendepunkt – weg von Wahlgeschenken, hin zu nachhaltiger Finanzpolitik.
