Ein Streit, der das Grundproblem verdeckt
„Bullshit“ nannte Arbeitsministerin Bärbel Bas die Analyse von Kanzler Friedrich Merz, die Sozialkassen seien nicht mehr finanzierbar. Die Wortwahl mag überraschen, am Kern der Sache ändert sie nichts: Die gesetzliche Rente ist aus dem Gleichgewicht geraten.
Jährlich fließen bereits 130 Milliarden Euro aus Steuergeldern in die Kasse, um das Umlagesystem zu stabilisieren. In 30 Jahren könnten es nach Berechnungen von Ökonom Martin Werding bis zu 350 Milliarden Euro sein.
Demografie frisst das Umlagesystem auf
Das Konstrukt „Jung zahlt für Alt“ steht vor dem größten Belastungstest seiner Geschichte. Die Babyboomer gehen in Rente, immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Rentner aufkommen.
Gleichzeitig leben die Menschen länger, die Rentenbezugsdauer steigt. Eine Haltelinie bei 48 Prozent soll das Sicherungsniveau stabilisieren, doch sie macht das System noch abhängiger von Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt.
Gutverdiener trifft es besonders hart
Rentenexperten warnen: Gerade Arbeitnehmer mit hohem Einkommen könnten im Alter eine böse Überraschung erleben. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt aktuell bei 8.050 Euro monatlich. Alles, was darüber verdient wird, bringt keine zusätzlichen Rentenansprüche. Für jemanden mit 12.000 Euro Bruttogehalt ergibt sich so eine Rentenlücke, die inflationsbereinigt schnell auf mehrere Millionen anwachsen kann.

Berechnungen zeigen: Heute 25-Jährige müssten bis zu 4,4 Millionen Euro zusätzlich ansparen, um ihren Lebensstandard im Ruhestand zu halten. Selbst wer mit weniger als 100 Prozent des letzten Einkommens plant, kommt auf Beträge im Millionenbereich.
Riester war nur ein Strohfeuer
Politische Gegenmaßnahmen haben bisher wenig Wirkung entfaltet. Die Riester-Rente, einst als Heilmittel gefeiert, scheiterte an komplizierten Förderregeln und schwachen Renditen. Betriebsrenten und Immobilien können die gesetzliche Lücke abfedern, doch reichen sie bei Besserverdienern allein kaum aus. „Wer oberhalb der Bemessungsgrenze verdient, muss selbst vorsorgen – und zwar erheblich mehr als der Durchschnitt“, sagt Werding.
Der Aktienmarkt als Notausgang
Ruhestandsplaner wie Helge Lach von der DVAG sehen den Kapitalmarkt als effizienteste Lösung.
„Die gesetzliche Rente liefert zu wenig Rendite, wer die Lücke schließen will, muss investieren“, lautet sein Rat.
Langfristige Sparpläne in Aktien oder ETFs gelten dabei als probates Mittel – nicht risikofrei, aber historisch mit höheren Erträgen als jede Umlagefinanzierung.
Doch auch hier gilt: Ohne Disziplin und frühzeitiges Handeln ist der Vorsprung schnell verspielt. Wer erst mit 50 beginnt, muss deutlich höhere Beträge aufbringen, um dieselbe Versorgungslücke zu schließen.
Ein System vor dem Kipppunkt
Das deutsche Rentensystem steht unter Druck wie selten zuvor. Die politischen Lager streiten über kosmetische Korrekturen, doch die strukturelle Schieflage bleibt bestehen. Für die Arbeitnehmer von heute heißt das: Wer seinen Ruhestand nicht von Unsicherheit geprägt sehen will, muss selbst aktiv werden. Denn auf eine staatliche Vollkasko ist längst kein Verlass mehr.
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