08. August, 2025

Rente am Limit – Warum der Generationenvertrag kurz vor dem Bruch steht

Das Ifo-Institut warnt in einer neuen Studie vor einer Kostenlawine in der gesetzlichen Rente. Ohne umfassende Reformen drohen Beitragssätze von 22 % – oder ein Kollaps des Systems.

Rente am Limit – Warum der Generationenvertrag kurz vor dem Bruch steht
Fast die Hälfte des Bundeshaushalts für Rente? Die doppelte Haltelinie könnte den Staatshaushalt bis 2050 in eine gefährliche Schieflage bringen.

3,4 Prozentpunkte mehr – und das nur fürs Weitermachen wie bisher

Kaum ein Thema berührt die Deutschen so existenziell wie die Rente. Doch was bislang als sicher galt, könnte bald unbezahlbar werden. In einer aktuellen Studie zeichnet das Ifo-Institut im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung ein dramatisches Bild: Bis 2050 droht ein Anstieg des Rentenbeitragssatzes von derzeit 18,6 % auf bis zu 22 %.

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Anders gesagt: Wer dann arbeitet, zahlt im Jahr so viel in die Rente ein wie heute für zwei Monatsmieten – und bekommt dafür am Ende weniger heraus.

Weniger Zahler, mehr Rentner

Der demografische Wandel ist keine neue Erkenntnis – aber seine Folgen werden konkreter. 2019 kamen auf 100 Rentner noch 288 Beitragszahler. Bis 2050 werden es nur noch rund 230 sein. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung, und mit ihr die Rentendauer.

Ein immer kleiner werdender Teil der Bevölkerung soll also einen wachsenden Teil finanzieren. Das wäre schon problematisch genug – doch die Politik hat das Problem zusätzlich verschärft.

Die sogenannte doppelte Haltelinie – Rentenniveau nicht unter 48 %, Beitragssatz nicht über 20 % – war ein politisches Versprechen der Ampelregierung. Ökonomisch jedoch ist sie ein Brandbeschleuniger.

Das Ifo-Institut legt konkrete Reformvorschläge vor

Statt bei Allgemeinplätzen zu verharren, macht die Studie zwei Szenarien auf. Das erste – Reformpaket I – umfasst die Abschaffung der Rente mit 63 und eine Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung.

Das zweite – Reformpaket II – geht weiter: Es würde auch die Rentenanpassung stärker an die demografische Realität koppeln und die Bestandsrenten künftig an die Inflation statt an die Löhne binden.

Zwei Beitragszahler pro Rentner: 2050 müssen halb so viele Erwerbstätige doppelt so viel schultern – das ist das Ende des klassischen Generationenvertrags.

Das klingt trocken, hat aber enorme Wirkung. Allein bis 2035 könnten so 26,4 Milliarden Euro eingespart werden. Bis 2050 sogar 41 Milliarden. Das Ifo-Institut rechnet vor: Diese Entlastung wäre so groß, dass der Staat im Jahr 2050 den Mehrwertsteuersatz um fast drei Prozentpunkte senken könnte – wenn er wollte.

Wer heute nicht reformiert, belastet morgen doppelt

Die Botschaft der Forscher ist unmissverständlich: Entweder die Gesellschaft reformiert das System – oder sie belastet künftige Generationen mit steigenden Abgaben und sinkenden Nettoeinkommen.

Besonders deutlich fällt das Urteil beim aktuellen Kurs aus: Wer an der doppelten Haltelinie festhält, müsse damit rechnen, dass bald die Hälfte des Bundeshaushalts für Zuschüsse zur Rente aufgewendet werde. Schon 2019 lag der Anteil bei fast 30 %.

Das ist nicht nur ein finanzielles Problem, sondern auch ein politisches: Die Solidarität zwischen den Generationen droht zu kippen, wenn die Jungen nur noch zahlen, aber keine Perspektive auf Rückflüsse mehr haben.

Reformwille? Bisher kaum zu erkennen

Die schwarz-rote Bundesregierung will immerhin das Rentenniveau bis 2031 stabil halten, die Mütterrente ausweiten und Selbstständige in die Rentenversicherung einbeziehen. Doch das reicht nicht aus. Die Maßnahmen wirken eher wie kosmetische Korrekturen als wie strukturelle Antworten auf ein tiefgreifendes Problem.

Ein echtes Rentenpaket II, das diesen Namen verdient, müsste unbequeme Wahrheiten offen ansprechen – und genau das tut die Ifo-Studie. Der Generationenvertrag, der jahrzehntelang als tragfähiges Modell galt, ist unter dem Druck der Demografie kaum noch haltbar – zumindest nicht zu den bisherigen Bedingungen.

Der Preis des Zögerns steigt – täglich

Reformen bei der Rente gelten in Deutschland als politischer Selbstmordversuch. Zu viele Wähler sind direkt betroffen. Doch genau das ist das Problem. Jeder Aufschub verschärft das Ungleichgewicht.

Wer heute 30 ist, wird die Rechnung bezahlen. In Form höherer Abgaben, längerer Lebensarbeitszeit – oder einer Rentenlücke, die kein ETF der Welt mehr schließen kann.

Die Ifo-Studie ist keine Panikmache. Sie ist ein Weckruf. Die Frage ist nur, ob ihn jemand hört.

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