Raisin hat geliefert. Nach Jahren des Wachstums, der Expansion und des geduldigen Wartens auf nachhaltige Profitabilität meldet das Berliner Fintech für 2024 ein Rekordergebnis. Rund 30 Millionen Euro Nettogewinn stehen unter dem Strich – fast 35-mal so viel wie im Vorjahr. Für Gründer und CEO Tamaz Georgadze ist das ein Durchbruch. Für das Geschäftsmodell ist es ein Beweis. Und doch zeigt der Konzernabschluss auch eine Sollbruchstelle.

Das Plattformmodell trägt – und skaliert
Der Gewinnsprung kommt nicht überraschend, aber in dieser Dimension dann doch. Raisin profitiert vom Zinsumfeld, vor allem aber von seiner Rolle als Infrastruktur-Anbieter für Banken und Sparer. Über die Plattform, die in Deutschland lange unter der Marke Weltsparen bekannt war, vermitteln die Berliner europaweit Tages- und Festgelder an Banken, die dringend Einlagen benötigen.
2024 erwies sich dieses Modell als hochprofitabel. Steigende Zinsen sorgten für eine hohe Nachfrage bei Sparern, während Banken bereit waren, attraktive Konditionen zu zahlen, um Liquidität anzuziehen. Raisin kassiert dabei Vermittlungsprovisionen – skalierbar, margenstark und mit vergleichsweise niedrigen Fixkosten. Genau dieses Plattformgeschäft treibt den Konzerngewinn.
Vom Wachstums-Fintech zum Ertragsunternehmen
Für Georgadze ist das Ergebnis auch ein strategischer Meilenstein. Raisin galt lange als typisches Venture-Capital-Fintech: schnelles Wachstum, internationale Expansion, aber überschaubare Gewinne. Nun zeigt der Abschluss, dass das Unternehmen in der Lage ist, hohe Umsätze in belastbare Erträge zu verwandeln.

Dass Raisin inzwischen mit Werbeslogans spielt, die eher nach Volksfest als nach Start-up klingen, passt ins Bild eines Unternehmens, das seine Marktposition gefunden hat. Das Zinsportal ist im Mainstream angekommen – und verdient dort gutes Geld.
Die eigene Bank reißt ein Loch in die Bilanz
Doch der Konzernabschluss hat eine zweite Seite. Während das Plattformgeschäft Rekorde schreibt, entwickelt sich die hauseigene Bank zum Sorgenkind. Die Raisin Bank, die unter anderem Zahlungsabwicklung und bestimmte Kreditfunktionen übernimmt, schreibt Millionenverluste.
Die Gründe liegen in hohen regulatorischen Kosten, Investitionen in IT und Strukturen sowie einem Geschäftsmodell, das deutlich kapitalintensiver ist als die reine Vermittlung. Während die Plattform mit wenig Eigenkapital auskommt, bindet die Bank Ressourcen – und drückt die Konzernrendite.
Konsequenz: Umbau statt Expansion
Raisin reagiert. Die Bank wird umstrukturiert, Prozesse sollen verschlankt, Kosten gesenkt werden. Intern gilt die Devise: Die Bank soll das Plattformgeschäft stützen, nicht belasten. Ein Rückzug aus bestimmten Aktivitäten ist ebenso denkbar wie eine stärkere Fokussierung auf Dienstleistungen für den eigenen Konzern.
Das ist ein bemerkenswerter Schritt. Viele Fintechs träumen von der eigenen Banklizenz als Ritterschlag. Raisin zeigt nun, dass diese Lizenz auch ein Klotz am Bein sein kann – zumindest dann, wenn das eigentliche Wertschöpfungszentrum woanders liegt.
Ein Lehrstück für die Branche
Der Abschluss 2024 macht Raisin zu einem Sonderfall in der europäischen Fintech-Szene. Während viele Wettbewerber noch um Profitabilität kämpfen, verdient das Unternehmen signifikant Geld. Gleichzeitig zeigt sich, wie klar Georgadze zwischen profitabler Plattform und defizitärer Bank unterscheidet.
Raisin ist damit weniger klassische Digitalbank als Finanzinfrastruktur-Anbieter – und fährt genau damit seine besten Ergebnisse ein. Der Rekordgewinn ist kein Zufall, sondern das Resultat eines Modells, das im aktuellen Zinsumfeld perfekt funktioniert.
Die entscheidende Frage für die kommenden Jahre lautet nun nicht mehr, ob Raisin Geld verdienen kann. Sondern wie konsequent das Unternehmen bereit ist, sich von Teilen zu trennen oder sie umzubauen, die genau das verhindern.



