Der Kreml setzt auf Symbolik – und auf Signale nach innen wie nach außen. Ein Neujahrsbrief von Wladimir Putin an Kim Jong Un rückt die militärische Kooperation zwischen Russland und Nordkorea ins Rampenlicht. Fast zeitgleich verbreitet eine staatliche Umfrage Zuversicht in der russischen Bevölkerung: Mehr als die Hälfte rechnet mit einem Ende des Krieges im kommenden Jahr. Beides zusammen zeichnet ein Bild von Selbstgewissheit – gestützt auf Bündnisse, militärische Dynamik und politische Deutungshoheit.
Moskau inszeniert Nähe zu Pjöngjang
Putins Schreiben, das nach Angaben der nordkoreanischen Staatsagentur KCNA bereits vergangene Woche in Pjöngjang eintraf, ist mehr als diplomatische Höflichkeit. Der russische Präsident lobt darin ausdrücklich den „heldenhaften Einsatz“ nordkoreanischer Soldaten an der Seite der russischen Armee. Dieser habe die „unbesiegbare Freundschaft“ zwischen beiden Ländern bewiesen.
Besonders bemerkenswert ist die konkrete Benennung von Einsatzorten. Putin würdigt laut KCNA die Kämpfe zur „Befreiung der Region Kursk“ sowie nachfolgende Arbeiten koreanischer Ingenieure auf russischem Boden. Damit bestätigt Moskau indirekt eine militärische Zusammenarbeit, die lange Zeit nur von westlichen und südkoreanischen Geheimdiensten behauptet worden war.
Nach deren Erkenntnissen entsandte Nordkorea im vergangenen Jahr mehr als 10.000 Soldaten nach Russland. Eingesetzt wurden sie demnach vor allem in der Grenzregion Kursk. Zusätzlich sollen Artilleriemunition, Raketen und sogar Langstreckenraketensysteme geliefert worden sein. Erst im April räumte Pjöngjang offiziell ein, Truppen nach Russland geschickt zu haben – ein Schritt, der internationale Sanktionen weiter verschärfte, Moskau jedoch strategische Entlastung brachte.

Militärische Hilfe als politisches Signal
Die demonstrative Anerkennung nordkoreanischer Hilfe folgt einer klaren Logik. Russland zeigt, dass es trotz internationaler Isolation verlässliche Partner hat, die bereit sind, materielle und personelle Unterstützung zu leisten. Für Kim Jong Un bietet das Bündnis Zugang zu russischer Technologie, politischem Rückhalt im Sicherheitsrat und eine Bühne als geopolitischer Akteur jenseits der koreanischen Halbinsel.
Für den Kreml ist die Botschaft ebenso nach innen gerichtet. Wer Soldaten aus Nordkorea öffentlich lobt, signalisiert Durchhaltefähigkeit und internationale Vernetzung. Der Krieg erscheint nicht als einsamer Kraftakt, sondern als Teil eines größeren antiwestlichen Blocks.
Staatliche Umfrage nährt Erwartungen auf ein Ende des Krieges
Parallel dazu verbreitet Moskau Optimismus über die Stimmung im Land. Das staatliche Meinungsforschungsinstitut WZIOM veröffentlichte eine Umfrage unter 1.600 Befragten, wonach 70 Prozent das kommende Jahr als erfolgreicher für Russland einschätzen als das laufende. Für 55 Prozent ist diese Hoffnung direkt mit einem Ende des Krieges gegen die Ukraine verbunden.
Der stellvertretende WZIOM-Leiter Michail Mamonow nennt den erwarteten Abschluss des „militärischen Sondereinsatzes“ als Hauptquelle dieses Optimismus. Die Wortwahl folgt der offiziellen Sprachregelung der russischen Regierung, die den Krieg konsequent nicht als solchen bezeichnet. Erfolg bedeutet demnach nicht zwingend Frieden im westlichen Sinne, sondern das Erreichen jener Ziele, die Putin „im Einklang mit den nationalen Interessen“ definiert hat.
Westen als Faktor der Zuversicht
Mamonow verweist auf mehrere äußere Entwicklungen, die aus russischer Sicht Hoffnung auf ein Abkommen nähren. Dazu zählt die anhaltende russische Offensive in der Ukraine, aber auch die wahrgenommene Zurückhaltung der USA bei der Finanzierung Kiews. Hinzu komme die Unfähigkeit der Europäischen Union, die Vereinigten Staaten militärisch und finanziell vollständig zu ersetzen.
Diese Argumentation fügt sich nahtlos in das offizielle Narrativ des Kremls. Der Westen erscheint als müde, uneinig und zunehmend überfordert. Russland hingegen präsentiert sich als strategisch geduldig, militärisch handlungsfähig und politisch geschlossen.

Geschlossenheit als Ergebnis gelenkter Wahrnehmung
Dass staatliche Umfragen diese Geschlossenheit regelmäßig bestätigen, ist Teil des Systems. WZIOM hatte bereits in früheren Erhebungen zum Jahresende die breite Unterstützung für Putin und seine Kriegsziele betont, ohne jedoch konkrete Erwartungen an ein Kriegsende zu quantifizieren. Kritische Stimmen, Zweifel an der offiziellen Linie oder Kriegsablehnung finden in solchen Erhebungen kaum Raum.
Der nun ausgewiesene Optimismus erfüllt daher mehrere Funktionen. Er stabilisiert die innenpolitische Lage, stärkt das Bild einer erfolgreichen Führung und bereitet die Bevölkerung auf mögliche Verhandlungen vor, die als Sieg verkauft werden können – unabhängig von ihrem tatsächlichen Inhalt.
Freundschaft nach außen, Hoffnung nach innen
Putins Brief an Kim Jong Un und die veröffentlichte Kriegszuversicht sind zwei Seiten derselben Strategie. Nach außen demonstriert Russland internationale Bündnisfähigkeit jenseits des Westens. Nach innen wird die Erwartung genährt, dass Opfer und Belastungen bald belohnt werden. Ob diese Rechnung aufgeht, hängt weniger von Umfragen oder Briefen ab als vom Verlauf des Krieges selbst – und von der Frage, wie belastbar die beschworene „unbesiegbare Freundschaft“ im Ernstfall wirklich ist.



