24. Oktober, 2025

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Produktivitäts-Schock: Wie die USA Europa abgehängt haben

Neue McKinsey-Zahlen zeigen ein wachsendes Wohlstandsgefälle zwischen den USA und Europa. Während die Amerikaner auf KI, Kapital und Kreativität setzen, steckt Deutschland im Bürokratie-Sumpf fest – und riskiert, endgültig den Anschluss zu verlieren.

Produktivitäts-Schock: Wie die USA Europa abgehängt haben
Datenalarm: Die Produktivitätslücke zwischen den USA und Europa beträgt laut McKinsey inzwischen 33 Prozentpunkte – Tendenz steigend.

Vom Musterknaben zum Nachzügler

Noch 2019 galt Deutschland als Musterbeispiel für Effizienz. Die Arbeitsproduktivität je Stunde lag über der der USA – 68 Euro in Deutschland, 66 in den Vereinigten Staaten. Sechs Jahre später ist das Verhältnis gekippt. 2025 produzieren Amerikaner im Schnitt rund 83 Euro Wertschöpfung pro Stunde, während deutsche Beschäftigte zurückfallen.

Laut einer neuen McKinsey-Studie hat sich die Produktivitätslücke zwischen den USA und den großen europäischen Volkswirtschaften auf 33 Prozentpunkte ausgeweitet – ein struktureller Rückstand, der nicht nur statistisch, sondern wirtschaftspolitisch brisant ist. Europa arbeitet langsamer, risikoscheuer und innovationsärmer.

„Deutschland hat zu lange vom Ruf seiner Ingenieure gelebt“, warnt Ruth Heuss, Senior Partnerin bei McKinsey. „Jetzt zeigt sich, dass Produktivität kein Selbstläufer ist.“

Wo die USA davongezogen sind

Besonders sichtbar wird das Gefälle in der Industrie und der Technologiebranche. Während amerikanische Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten massiv in Digitalisierung, Software und Automatisierung investierten, stockte Europas Kapitalstock. US-Firmen modernisierten Fabriken, Prozesse und Lieferketten – europäische dagegen feierten Effizienzprogramme und Sparrunden.

Hinzu kommt die Mentalität. In den USA gilt Scheitern als Teil des Fortschritts. Unternehmen dürfen scheitern, Märkte dürfen sich neu ordnen – und aus den Trümmern entstehen neue Konzerne. McKinsey nennt das den „Effekt schöpferischer Zerstörung“.

Ein Beispiel: Als die US-Warenhauskette Sears bankrottging, wanderte der Marktanteil an Amazon – ein Unternehmen, das fünfmal produktiver arbeitet. In Europa werden solche Strukturbrüche verhindert, verlangsamt oder mit Subventionen abgefedert. Das schützt Arbeitsplätze kurzfristig – und kostet langfristig Dynamik.

Deutschlands strukturelles Handicap

Die Analyse zeigt auch: Das Problem ist kein Mangel an Fleiß, sondern an Flexibilität. Der deutsche Arbeitsmarkt bleibt hochreguliert. Kündigungsschutz, Tarifbindung und Bürokratie bremsen Anpassungsprozesse – ein Prozentpunkt Produktivitätswachstum gehe laut McKinsey jährlich verloren, weil Restrukturierungen zu langsam erfolgen.

Dazu kommt der Investitionsrückstand. US-Unternehmen stecken im Schnitt doppelt so viel Kapital in Maschinen, IT und Software wie ihre europäischen Wettbewerber. Das erklärt, warum amerikanische Beschäftigte produktiver sind – sie arbeiten schlicht mit besserer Technologie.

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Der KI-Faktor: Europas letzte Chance

Künstliche Intelligenz gilt als entscheidender Hebel, um die Lücke zu schließen. Doch auch hier droht Europa abgehängt zu werden. Während US-Konzerne wie Microsoft, Google oder OpenAI Milliarden investieren, experimentieren viele deutsche Unternehmen noch im Pilotmodus.

„Wir müssen den Mut haben, KI in alle Geschäftsprozesse zu integrieren – nicht nur in die PowerPoint-Folien“, sagt Heuss. Europa neige zu Perfektionismus, während die USA pragmatisch handeln. Ein Beispiel sei die E-Mobilität: „Müssen deutsche Elektroautos wirklich für minus 40 Grad zugelassen sein?“

Die deutsche Gründlichkeit, einst ein Qualitätsmerkmal, wird zum Innovationshemmnis.

Was jetzt passieren müsste

Wollen Deutschland und Europa wieder aufholen, braucht es mehr als Förderprogramme und Sonntagsreden. Drei Schritte sind entscheidend:

  1. Kapital mobilisieren: Mehr Investitionen in Automatisierung, Software und KI. Die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen ist solide – aber zu passiv angelegt.
  2. Bürokratie abbauen: Schnellere Genehmigungen, weniger Regulierung, mehr Experimentierfreude. Der Staat muss Innovation ermöglichen, nicht verwalten.
  3. Kulturwandel fördern: Scheitern entstigmatisieren, Start-ups fördern, Unternehmergeist belohnen. Ohne Risikobereitschaft bleibt Produktivität eine Floskel.

Ein Weckruf für Europas Wirtschaftseliten

Die gute Nachricht: Das Bewusstsein wächst. „In vielen Vorstandsetagen hat ein Umdenken begonnen“, beobachtet Heuss. Unternehmen investieren wieder, Manager sprechen von Effizienz statt nur von Wachstum. Doch das Zeitfenster schließt sich.

Die USA profitieren derzeit von einem Produktivitätsboom, getragen durch Automatisierung, Reshoring und KI. Europa kämpft mit Energiepreisen, Fachkräftemangel und politischen Grabenkämpfen.

Wenn sich der Trend fortsetzt, ist nicht nur die Statistik in Gefahr, sondern der Wohlstand einer ganzen Generation. Produktivität ist kein abstrakter Wert – sie entscheidet über Löhne, Wettbewerbsfähigkeit und am Ende über die politische Stabilität.

Vom Reden zum Handeln

Deutschland kann die Produktivitätslücke schließen – wenn es endlich seine eigenen Bremsen löst. Es braucht Mut zur Disruption, nicht zum Dauerkompromiss. Die USA haben vorgemacht, wie Wachstum funktioniert: durch Investition, Technologie und die Bereitschaft, Altes loszulassen.

Europa hat noch Zeit, aber nicht mehr viel. Produktivität ist keine Kennzahl – sie ist das Fundament unseres Wohlstands. Wer sie vernachlässigt, verliert nicht nur den Anschluss, sondern auch seine Zukunft.

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