28. Juni, 2025

Fintech

Private Credit aufs Smartphone – wie Muzinich & Nao den 1.000-Euro-Zaun einreißen

Mitten im Zinswende-Klima verbündet sich Kredit-Veteran Muzinich mit dem Berliner Fintech Nao. Ergebnis: ein Evergreen-ELTIF, der Mittelstands-Darlehen schon ab 1.000 Euro für Privatanleger öffnet – Monatsfenster inklusive. Eine Revolution? Oder nur ein neues Risikopaket im schicken Digital-Gewand?

Private Credit aufs Smartphone – wie Muzinich & Nao den 1.000-Euro-Zaun einreißen
Mit dem Muzinich-ELTIF können Anleger ab 1.000 € in Unternehmensdarlehen investieren. Doch die versprochene monatliche Liquidität kann im Krisenfall eingeschränkt werden.

Ein Deal, der die Einstiegshürde pulverisiert

Ohne Roadshow, ohne Zeichnungsschein, per App: Ab sofort können deutsche und österreichische Anleger den Muzinich European Private Credit ELTIF über die Plattform von Nao ordern – Mindestanlage 1.000 Euro.

Das Vehikel zielt auf besicherte Kredite europäischer Mittelständler (85 %) und packt 15 % liquide High-Yield-Papiere als Puffer dazu.

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Rückenwind durch ELTIF 2.0

Möglich macht das die seit Anfang 2024 geltende ELTIF-Reform. Sie erlaubt offene Strukturen („evergreen“), gelockerte Fremdkapitalquoten und – entscheidend – monatliche Liquiditätsfenster ohne vertragliche Mindesthaltedauer.

Was früher institutionellen Anlegern vorbehalten war, rutscht damit erstmals massentauglich in den Retail-Bereich.

Warum alle plötzlich Private Credit lieben

Private-Debt-Fonds füllen die Lücke, die Banken seit Basel III im Mittelstandskreditmarkt hinterlassen haben. Zugleich locken Renditen von 7 bis 10 Prozent – deutlich über Staats- und Unternehmensanleihen.

Entsprechend boomt das Segment: Das ELTIF-Volumen wuchs 2024 um 38 Prozent auf über 20 Milliarden Euro, ein Drittel davon steckt bereits in Private-Debt-Strategien.

Liquidität – nur auf dem Papier?

Die monatlichen Ausstiegsfenster klingen nach Tagesgeld-Komfort, bleiben aber ein Versprechen unter Vorbehalt. Bei Stress am Kreditmarkt kann das Fondsmanagement Rückgaben begrenzen oder ganz einfrieren. Wer verkauft, während Kreditratings sinken, realisiert Verluste – aus Illiquidität wird dann schnell ein Bewertungsrisiko.

Muzinich & Co.

Gebühren, Governance, Konkurrenz

Muzinich verwaltet rund 38 Milliarden Dollar und bringt über 35 Jahre Kreditmarkterfahrung mit. Trotzdem muss das Haus zeigen, dass es Reporting, Transparenz und Gebührenstruktur auch im Retail-Geschäft überzeugend liefern kann.

Denn der Wettbewerb schläft nicht: Andere Schwergewichte stehen bereit, eigene Retail-Produkte über Neo-Broker in den Markt zu bringen.

Tech-Finish statt Bankfiliale

Nao verspricht „Family-Office-Feeling im Smartphone“. Das Berliner Fintech kuratiert bereits Private-Equity-Fonds und will mit dem Muzinich-ELTIF nun eine reine Corporate-Private-Debt-Strategie ergänzen.

Damit entsteht ein digitales Schaufenster, in dem Kleinanleger zwischen Unternehmensdarlehen, Infrastrukturkrediten und PE-Secondaries scrollen können.

Der Haken an der Demokratisierung

Private Credit passt perfekt in die Story von Diversifikation und Inflationsschutz. Doch wer nur die Rendite sieht, unterschätzt die Komplexität: Covenants, Nachrangstrukturen, Recovery-Quoten – alles Themen, die sich nicht in drei Bulletpoints erklären lassen. Die Öffnung für Retail-Investoren ist regulatorisch gewollt, aber pädagogisch anspruchsvoll.

Schlussakkord

Die Partnerschaft von Muzinich und Nao zeigt, wie schnell die Barrieren zwischen Institutionellen und Privaten fallen. Sie demokratisiert ein renditestarkes, aber erklärungsbedürftiges Segment.

Ob daraus ein neues Standardprodukt wird oder nur ein schönes Verpackungsversprechen bleibt, entscheidet sich erst im nächsten Abschwung – wenn Liquidität knapp, Kreditrisiken sichtbar und der Exit plötzlich kein Button mehr ist.

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