Der Einstieg ist kein Gerücht mit dünner Substanz, sondern die logische Folge eines Tabubruchs: Flink ist profitabel – nicht irgendwann, sondern seit August. Nach zwei Jahren Restrukturierung, einer Belegschaft, die um zwei Drittel schrumpfte, und hunderten geschlossenen Mini-Hubs ist der Schnelllieferer zurück im Wachstumsmodus.
Jetzt will CEO Julian Dames wieder angreifen und dafür weniger als 100 Mio. € einsammeln. Gespräche laufen – Prosus, Amazon und Bestandsinvestoren werden genannt.
Was Flink in die Auslage legt
- Unit Economics: Neue Standorte erreichen laut Management spätestens nach 7 Monaten einen positiven Deckungsbeitrag.
- Skalierung ohne Hype-Verbrennung: 2023 lagen die Erlöse bei rund 600 Mio. €; 2025 peilt Flink zweistellige Wachstumsraten an – ohne das Profitabilitätsziel preiszugeben.
- Marktbereinigung als Rückenwind: Gorillas ist vom Markt, Getir hat sich nach Hause zurückgezogen. Neben Knuspr liefert faktisch nur Flink noch taggleich in der Breite.
- Partner-Backbone: Rewe (knapp 20 % Anteil) versorgt Flink per Großhandelsvertrag und nutzt die Flotte für Lieferando-Bestellungen („Rewe Express just fresh“, „Kiosk“).
Warum Amazon überhaupt passt
Strategisch: In Deutschland hat Amazon Fresh zurückgefahren und stattdessen Händler wie Knuspr und Tegut auf die Plattform geholt. Ein Investment in Flink wäre die städtische Same-Hour-Schicht obendrauf – integrierbar in Prime. Wahrgenommener Abo-Mehrwert: hoch.
Operativ: Flinks urbane Depots und Bike-/E-Flotten könnten nicht nur Joghurt und Bananen zustellen, sondern Amazon-Kleinteile mit hoher Drehzahl: Batterien, Kabel, Haushaltsartikel – Kostenhebel auf der „letzten Meile“ inklusive. In US-Märkten zeigt Whole Foods bereits, wie Logistik und Sortiment zusammenspielen. Deutschland fehlt bisher genau dieses Puzzleteil.
Finanziell: Ein Minderheiteninvestment unter 100 Mio. € wäre für Amazon Portokasse, für Flink Wachstumsturbo und für beide ein optionaler Pfad – vom Pilot in Metropolen bis zur späteren Vertiefung. Keine teure Komplettübernahme, sondern ein Optionsschein auf Geschwindigkeit.
Der nüchterne Blick auf das Geschäftsmodell
Flinks Comeback basiert nicht auf Marketing, sondern auf Durchsatz je Hub, Korbgröße und Drop-Kosten. Drei Stellhebel entscheiden, ob die schwarze Null hält:
- Auslastung: Längere Slots statt 10-Minuten-Versprechen erhöhen Bündelung, drücken Zustellkosten pro Bestellung.
- Einkaufsmacht: Rewe-Backbone stabilisiert Margen; Eigenmarken-Pilotierungen über Lieferando verbessern Mix.
- Capex-Disziplin: Weniger „Dark Stores“, dafür größere, effizientere City-Knoten – weniger fixe Komplexität, bessere Pick-Raten.
Die Risiken bleiben real: steigende Löhne im urbanen Raum, enger Fahrer-Arbeitsmarkt, kommunale Regulierung (Nutzungsrechte, Lieferzeiten), dazu der alte Feind des Quick Commerce – stotternde Frequenz außerhalb der Peaks.

Was Prosus will – und was Rewe nicht muss
Prosus sucht Skalierbares mit Marktplatz- oder Logistik-DNA. Ein Deal böte Portfolio-Logik (Just Eat Takeaway.com wird übernommen), Cross-Sourcing-Effekte und Zugang zu europäischer Urban-Logistik.
Rewe wiederum bekräftigt, nicht kaufen zu wollen – und muss es auch nicht. 20 % reichen, um Preis-, Sortiment- und Logistikhebel mitzunehmen, ohne Bilanzrisiken einer Vollkonsolidierung.
Szenarienrechnung für 2026 (vereinfachte Logik)
- Base Case: zweistelliges Umsatzplus, stabile Korbgröße, Drop-Kosten leicht runter → operativ positiver Cashflow im Sommer 2026 (Managementziel).
- Upside mit Amazon: Prime-Integration hebt Frequenz, Non-Food-Top-Seller aus Micro-Hubs beschleunigen Asset-Turnover → schnellerer Cash-Break-even je neuer Standort, Marketingquote sinkt.
- Downside: Kommunale Restriktionen und Lohnanstieg über Plan, schwächere Korbgrößen → Ebit-Druck, Finanzierungslücke > geplanter Runde.
Was für Anleger und Wettbewerber zählt
- Signalwirkung: Ein Amazon-Ticket validiert Quick Commerce 2.0 – nicht als Hypestory, sondern als kostenoptimierte, hub-basierte Logistikschicht.
- Wettbewerbsdruck: Knuspr müsste schneller in Same-Hour-Zustellung nachschärfen oder bewusst auf Wochenkorb-Ökonomie setzen.
- Bewertungspfad: Flinks Unicorn-Status ist Geschichte; Profit-First definiert die nächste Runde. Das ist gesund – und im Zinsregime der Gegenwart die einzige Währung, die zählt.
Schluss ohne Konjunktiv
Wenn Amazon einsteigt, geht es nicht um die nächste Rabatt-Schlacht. Es geht um Taktung: Wer die letzte Meile im 60-Minuten-Raster beherrscht, besitzt den Kundenkontakt von morgen. Flink hat gezeigt, dass sich Schnelllieferung rechnen kann. Jetzt entscheidet sich, ob daraus ein deutsches Prime-Modul wird – oder ein verpasster Moment.


