08. Mai, 2025

Wirtschaft

Preisschock aus der Leitung: Wie viel Verbraucher bei Fernwärme wirklich draufzahlen

Die Fernwärme gilt als zentrale Säule der Wärmewende – doch für viele Haushalte entwickelt sie sich zum Kostenrisiko. Eine neue Auswertung zeigt: Wer Pech hat, zahlt pro Jahr Hunderte Euro mehr – und kann nichts dagegen tun.

Preisschock aus der Leitung: Wie viel Verbraucher bei Fernwärme wirklich draufzahlen
Der Medianpreis liegt bei 17 Cent pro Kilowattstunde, doch in fast jedem zehnten Netz zahlen Haushalte 25 Cent – ein Aufpreis von bis zu 770 Euro im Jahr.

Kein Wechsel möglich, keine Preisbremse

Wer in Deutschland an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist, hat aus Sicht der Energiewende alles richtig gemacht: zentral versorgt, keine eigene Technik im Keller, theoretisch effizient und klimafreundlich.

Doch was auf dem Papier überzeugt, wird in der Praxis zunehmend zum Problemfall – insbesondere bei den Preisen.

Eine aktuelle Analyse des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) bringt es auf den Punkt: Die Preisunterschiede zwischen den Versorgungsnetzen sind teils drastisch – und für Kundinnen und Kunden vor Ort faktisch nicht beeinflussbar. Wer einmal angeschlossen ist, steckt im System fest.

Ein Viertel der Netze verlangt 20 Cent oder mehr – fast jedes zehnte sogar 25 Cent

Die Verbraucherschützer haben 576 deutsche Fernwärmenetze ausgewertet. Das Ergebnis ist alarmierend:

  • In über 25 % der Netze liegt der Preis über 20 Cent pro Kilowattstunde
  • In fast 10 % kostet die kWh 25 Cent oder mehr
  • Der Medianpreis liegt bei 17 Cent

Was sich nach marginalen Differenzen anhört, hat erhebliche Auswirkungen auf die Haushaltskasse. Wer beispielsweise in einem Mehrfamilienhaus mit durchschnittlichem Verbrauch lebt, zahlt bei 20 Cent rund 290 Euro mehr pro Jahr. Bei 25 Cent summiert sich das Preisdelta auf 770 Euro jährlich – allein für Wärme.

Verbraucher im System gefangen

Das Problem ist struktureller Natur. Anders als bei Strom oder Gas gibt es im Fernwärmesektor keinen freien Wettbewerb. Hat man einmal einen Anschluss, ist der Netzbetreiber de facto Monopolist – ein Wechsel ist nicht möglich.

Die Vertragskonditionen lassen sich nicht verhandeln, Preiserhöhungen werden häufig nur formal angekündigt, nicht erklärt.

In über 25 % der Netze kostet die Kilowattstunde Fernwärme mindestens 20 Cent. Die Anbieter müssen ihre Preise kaum begründen – eine Preisaufsicht fehlt vielerorts.

Der VZBV spricht von einem „unregulierten Markt mit strukturellem Missbrauchspotenzial“. Die Forderung: Es braucht endlich eine funktionierende Preisaufsicht, die auch tatsächlich eingreift. Denn bislang können Versorger weitgehend unkontrolliert kalkulieren – und tun das auch.

Fernwärme gegen Wärmepumpe

In der Debatte um klimafreundliches Heizen stehen sich zwei zentrale Technologien gegenüber: die Wärmepumpe und das Fernwärmenetz. Beide gelten als zukunftsfähig, beide werden öffentlich gefördert.

Doch während Verbraucher bei Wärmepumpen Anbieter, Technik und Energieversorger wählen können, fehlt diese Entscheidungsfreiheit bei der Fernwärme komplett.

„Wenn die Politik möchte, dass Fernwärme eine gleichwertige Option zur Wärmepumpe ist, müssen die Rahmenbedingungen fair sein“, sagt Florian Munder, Energieexperte beim VZBV. Dazu gehöre auch, dass die Preise vergleichbar werden – oder zumindest nachvollziehbar.

Preise rauf, Rücklagen runter

Die Versorger rechtfertigen die Preise oft mit gestiegenen Erzeugungskosten, Investitionen in Netze und Modernisierung. Doch Verbraucherschützer halten dagegen: Viele Preisanpassungen erfolgten undurchsichtig, teils mit erheblichem zeitlichem Verzug, sodass Haushalte keine Chance haben, Kostenexplosionen rechtzeitig zu erkennen – oder ihnen zu entkommen.

Zudem zeigt sich: Besonders hohe Preise finden sich auffällig häufig dort, wo keine Konkurrenz besteht – also in kleineren Kommunen oder bei kommunal geprägten Stadtwerken ohne Aufsicht durch die Landeskartellbehörden.

In der Praxis bedeutet das: Hohe Preise sind kein Naturgesetz, sondern eine Frage der Regulierung – oder ihres Fehlens.

Forderung: Preisdeckel und neue Verordnung

Der VZBV fordert jetzt:

  • eine Obergrenze für Fernwärmepreise, orientiert an Wärmepumpenkosten
  • eine bundesweite Preisaufsicht, nicht mehr nur auf Länderebene
  • eine überarbeitete Fernwärmeverordnung, die Transparenz und Vergleichbarkeit schafft

Gleichzeitig müsse auch die Förderung überdacht werden. Aktuell profitiere die Fernwärme häufig von indirekten Subventionen, ohne dass dies zu faireren Preisen führe. „Öffentliches Geld darf nicht in unkontrollierte Monopolrenditen fließen“, so Munder.

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