Im Norden der Republik Zypern, der von der türkisch-zyprischen Gemeinschaft bewohnt wird, stehen wegweisende Präsidentschaftswahlen bevor. Diese Wahlen stellen die Bürger vor die Entscheidung zwischen der Beibehaltung der gegenwärtigen politischen Linie und dem Streben nach Veränderung. Insgesamt sieben Kandidaten bewerben sich um das höchste Amt des Landes, doch das Hauptaugenmerk liegt auf dem amtierenden Präsidenten Ersin Tatar und dem Oppositionsführer Tufan Erhürman. Sollte keiner der beiden Kandidaten im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erzielen, ist für den 26. Oktober eine Stichwahl vorgesehen.
Beobachter betonen die Bedeutung dieser Wahl für die Zukunft der türkisch-zyprischen Gemeinschaft, da das Ergebnis weitreichende Konsequenzen haben könnte. Ein erneuter Wahlsieg Tatars dürfte die politische Isolation des Nordens weiter verfestigen, während ein Sieg Erhürmans als Möglichkeit für frische diplomatische Initiativen angesehen wird. Die Wahllokale öffnen um 8:00 Uhr und schließen um 18:00 Uhr. Erste Wahlergebnisse werden noch am Abend des Wahltages erwartet. Insgesamt sind etwa 218.000 Bürger wahlberechtigt, was den Wahlen ein erhebliches Gewicht verleiht.
Tatar und Erhürman vertreten dabei gegensätzliche Visionen für den Norden der Insel, der aufgrund internationaler Politik nur von der Türkei als eigenständiger Staat anerkannt wird und unter dem Schutz türkischer Truppen steht. Präsident Tatar verfolgt die Idee einer dauerhaften Zwei-Staaten-Lösung und fordert vehement die internationale Anerkennung der "Türkischen Republik Nordzypern". Seine Politik zielt auf die Festigung der bestehenden Strukturen ab. Im Gegensatz dazu steht Tufan Erhürman, ein Vertreter der sozialdemokratischen CHP, der sich für eine föderale Lösung einsetzt, die unter Vermittlung der Vereinten Nationen mit der griechischen Seite erreicht werden soll. Erhürman betont die Notwendigkeit einer stärkeren Verbindung zu Europa und fasst seine Vision in dem Satz zusammen: "Jeder Winkel dieser Insel wird Europa sein."
Diese entscheidende Wahl findet vor dem Hintergrund der seit 1974 bestehenden Teilung der Insel Zypern statt. Dieser Riss wurde durch einen griechischen Putsch und eine darauf folgende türkische Militärintervention verursacht, die Zypern de facto in einen griechisch-zyprischen Süden und einen türkisch-zyprischen Norden spalteten. Obwohl die gesamte Insel seit 2004 Mitglied der Europäischen Union ist, gilt das EU-Recht aufgrund der Teilung lediglich im südlichen Teil. Die beiden Gebiete werden von einer Pufferzone voneinander getrennt, die von den Vereinten Nationen überwacht wird. Diese verläuft auch durch Nikosia, die einzige geteilte Hauptstadt der Welt.
Die bevorstehenden Wahlen sind folglich nicht nur von nationaler, sondern auch von internationaler Bedeutung, da die zukünftige politische Ausrichtung des Nordens Zyperns entscheidend zur Dynamik der gesamten Region beitragen wird. Die Wahl könnte somit weitreichende Folgen für die Beziehungen zwischen den beiden Bevölkerungsteilen Zyperns und darüber hinaus international haben.