Der Moment hätte kaum konträrer ausfallen können: Während Nvidia einen Umsatzrekord nach dem nächsten meldet und die KI-Infrastruktur weltweit im Akkord wächst, steigt Peter Thiel komplett aus. Der Tech-Investor und Palantir-Mitgründer hat im dritten Quartal 2025 sämtliche 537.742 Nvidia-Aktien verkauft – ein Paket im Wert von rund 100 Millionen Dollar. Sein Hedgefonds Thiel Macro LLC befreite sich damit von der Position, die für viele Investoren als unverzichtbarer Kern des KI-Portfolios gilt.
Thiels radikale Positionierung gegen den Markttrend
Der Verkaufszeitpunkt irritiert: Nvidia hatte gerade die Marke von fünf Billionen Dollar Börsenwert übersprungen, die Analysten überbieten sich mit Prognosen, die den Chipkonzern bis 2030 auf einen Jahresumsatz von einer Billion Dollar hieven. Trotzdem zieht Thiel die Reißleine. Parallel dazu kürzt der Fonds auch seinen Tesla-Bestand um drei Viertel und schrumpft das gesamte Aktienportfolio um fast zwei Drittel.
Damit stellt sich einer der einflussreichsten Vordenker des Silicon Valley bewusst gegen das Narrativ einer grenzenlosen KI-Rally. Ein Kommentar aus dem Thiel-Umfeld blieb aus, die Botschaft des Portfolios ist jedoch eindeutig.
Zweifel an der Belastbarkeit der KI-Bewertungen
Thiels skeptische Haltung hat eine Vorgeschichte. Er verglich den aktuellen KI-Hype wiederholt mit der finalen Phase der Internetblase 1999: revolutionäre Technologie, überzogene Bewertungen, eine Diskrepanz zwischen Versprechen und realer Skalierung.
Der KI-Durchbruch werde kommen, so Thiel – aber langsamer, holpriger und kapitalintensiver, als es die gegenwärtige Euphorie suggeriere. Für reine Hardware-Wetten wie Nvidia sieht er ein Missverhältnis zwischen Risiko und Preis. Dass sein Umfeld ähnlich denkt, erhöht das Gewicht seiner Entscheidung. Jack Selby, langjähriger Weggefährte und Managing Director von Thiel Capital, warnte jüngst vor der „größten Tech-Blase aller Zeiten“. Der Kapitalbedarf von KI-Modellen, so Selby, werde unterschätzt – und viele Bewertungen seien „monetär nicht tragfähig“.

Umschichtung in Cash-Maschinen mit breiter Basis
Die neue Struktur von Thiel Macro ist bemerkenswert defensiv: Statt Nvidia, statt kleineren KI-Spezialwerten, statt Zukunftswetten dominieren jetzt Apple, Microsoft und ein Restbestand Tesla. Der Fonds setzt damit auf Konzerne, deren Cashflows nicht an eine einzige technologische Wette gebunden sind, sondern auf Ökosysteme aus Cloud-Infrastruktur, Software, Endgeräten und Plattformgeschäft.
Mit dieser Konzentration folgt Thiel der These, dass robuste Profitpools der bessere Schutzwall gegen mögliche KI-Volatilität sind als die aktuelle Euphorie bei Rechenzentrums-Hardware.
Der Gegenwind prominenter Investoren nimmt zu
Thiel steht mit seinem Ausstieg nicht allein. Hedgefonds-Manager Michael Burry hat Short-Positionen gegen Nvidia aufgebaut, Softbank verkaufte im Herbst Aktien im Umfang von 5,8 Milliarden Dollar. Und die jüngste Auswertung von 13F-Filings zeigt: Die Hedgefonds-Landschaft spaltet sich. Während 161 Fonds ihre Nvidia-Pakete aufstockten, reduzierten 160 ihre Bestände.
Der Markt wird damit zunehmend zum Gefecht gegensätzlicher Überzeugungen – optimistische Wachstumsrechner gegen skeptische Kapitalbewahrer.
Ein Ausstieg, der die KI-Story nicht beendet – aber infrage stellt
Peter Thiel hat sich selten gescheut, gegen die Mehrheit zu investieren. Sein vollständiger Rückzug aus Nvidia ist ein solcher Moment. Er signalisiert, dass nicht nur eine Überhitzung droht, sondern dass die KI-Ökonomie selbst noch nicht stabil genug ist, um die aktuellen Bewertungen zu tragen.
Ob diese Skepsis als Weitsicht oder als verpasste Chance in Erinnerung bleibt, wird die nächste Marktphase entscheiden. Der KI-Superzyklus ist intakt – aber einer seiner klarsichtigsten Beobachter stellt die Statik des Fundamentes offen infrage.


