„Schmelzender Eiswürfel“ – härter kann ein Analystenurteil kaum ausfallen. Genau so bezeichnet eine aktuelle Studie von Morgan Stanley den Zahlungsdienstleister PayPal.
Die Bank stufte die Aktie von „Equalweight“ auf „Underweight“ herab und senkte das Kursziel drastisch von 74 auf 51 US-Dollar. Die Reaktion am Markt folgte prompt: Der Titel geriet erneut unter Druck.
Die Begründung der Analysten zielt nicht auf einen einzelnen Ausrutscher, sondern auf strukturelle Probleme. Insbesondere im Checkout-Geschäft komme PayPal operativ nicht voran. Verzögerte Integrationen, steigende Kosten und eine damit verbundene Margenbelastung nähren Zweifel, ob der Konzern seine dominante Stellung im Online-Payment verteidigen kann.

Skepsis wird zum Konsens
Morgan Stanley steht mit dieser Einschätzung nicht allein. Auch die Deutsche Bank reduzierte Anfang Dezember ihr Kursziel von 75 auf 65 US-Dollar und beließ die Aktie auf „Hold“. Kurz zuvor hatte die UBS ihre neutrale Einschätzung bestätigt und ebenfalls operative Schwächen im Checkout-Bereich hervorgehoben.
Auffällig ist die Tonlage. Es geht nicht mehr um kurzfristige Wachstumsdellen, sondern um die Frage, ob PayPal in einem immer härteren Wettbewerbsumfeld noch ausreichend Differenzierungskraft besitzt. Apple Pay, Stripe, Adyen und zahlreiche spezialisierte Anbieter greifen an – oft schneller, günstiger und technisch schlanker.
Jim Cramer gießt Öl ins Feuer
Zusätzliche Aufmerksamkeit erhielt die Studie durch Jim Cramer. Der CNBC-Moderator bezeichnete die Morgan-Stanley-Analyse öffentlich als „verheerend“ und griff den Eiswürfel-Vergleich explizit auf. PayPal sei zwar kein schlechtes Unternehmen, doch das Narrativ habe sich klar gegen die Aktie gedreht.
Bemerkenswert ist der Vergleich, den Cramer zieht. Innerhalb des Sektors bevorzugt er aktuell Affirm. Der Buy-now-pay-later-Anbieter gilt als wachstumsstärker positioniert und profitiert vom Trend zu flexiblen Zahlungsmodellen – auch wenn das Geschäftsmodell ein völlig anderes Risikoprofil aufweist.

Ein solides Geschäft, aber ohne Fantasie
Operativ ist PayPal weit entfernt vom Kollaps. Das Unternehmen generiert weiterhin hohe Cashflows, verfügt über eine enorme Nutzerbasis und bleibt im globalen Onlinehandel fest verankert. Genau das macht den Eiswürfel-Vergleich so treffend: Das Geschäft schmilzt nicht abrupt, sondern langsam – durch Margendruck, fehlende Innovationssprünge und zunehmenden Wettbewerb.
Für Investoren ist das problematisch. Ohne klare Wachstumstreiber oder überzeugende Produktimpulse bleibt die Aktie anfällig für jede negative Studie. Der Nachrichtenfluss wirkt einseitig, die Erwartungen sind niedrig.
Turnaround oder Value-Falle
Gleichzeitig entsteht aus dieser extrem negativen Stimmung ein paradoxes Szenario. PayPal ist günstig bewertet, das Sentiment am Boden. Schon kleine operative Fortschritte – etwa eine erfolgreiche Checkout-Offensive oder eine Stabilisierung der Margen – könnten einen spürbaren Rebound auslösen.
Damit wird die Aktie zur klassischen Turnaround-Spekulation. Keine Komfortzone für langfristige Qualitätsinvestoren, aber ein Spielfeld für risikobereite Anleger, die auf eine Stimmungswende setzen.
Ob PayPal tatsächlich ein schmelzender Eiswürfel ist oder nur eine Phase struktureller Abkühlung durchläuft, wird sich nicht an Analystenkommentaren entscheiden. Sondern daran, ob das Unternehmen beweist, dass es im Zahlungsverkehr der Zukunft mehr ist als ein Platzhirsch von gestern.



