20. August, 2025

Politik

„Passt scho“ auf Kosten aller? – Wie die CSU Milliarden-Subventionen durchdrückt

Ob Agrardiesel, Mütterrente oder Gastro-Steuer: Die CSU setzt regelmäßig teure Projekte durch – ökonomisch fragwürdig, aber politisch wirksam. Ökonomen sprechen von teurer Klientelpolitik.

„Passt scho“ auf Kosten aller? – Wie die CSU Milliarden-Subventionen durchdrückt
Agrardiesel-Subvention reaktiviert: Ein Erfolg für Bayerns Landwirte – und ein Rückschritt für jede ernst gemeinte Reformpolitik.

Ein Bundesland, viele Wünsche – und ein Preisetikett

Markus Söder war sichtlich zufrieden. Bei der Vorstellung der Koalitionsergebnisse mit CDU und SPD verkündete der bayerische Ministerpräsident stolz: „Gastronomie – sieben Prozent. Da habe ich mich immer dafür eingesetzt.“

Auch beim Agrardiesel und der Mütterrente konnte er punkten. Für die CSU ist das ein Erfolg. Für Steuerzahler, Ökonomen und Haushaltsexperten ist es ein weiteres Kapitel im bekannten Muster: Bayern liefert Forderungen, Berlin zahlt – der Bund übernimmt, was Söder bestellt.

Was der Wirtschaft schadet, nützt der CSU

Der Sachverständigenrat – besser bekannt als die Wirtschaftsweisen – sieht die neuen Subventionen kritisch. In seinem Frühjahrsgutachten listet er die CSU-Projekte nüchtern auf: Mütterrente III (4,9 Mrd. €/Jahr), Agrardiesel-Subvention (0,5 Mrd. €/Jahr), reduzierte Gastro-Umsatzsteuer (4,3 Mrd. €/Jahr). Allesamt konsumtive Ausgaben, die laut den Ökonomen keinen langfristigen wirtschaftlichen Nutzen entfalten.

Für die CSU ist das zweitrangig. Sie hat längst verstanden, dass sich Politik besser verkaufen lässt, wenn sie direkt beim Wähler ankommt – auch wenn der Staat dafür tief in die Tasche greifen muss. Der Ökonom Lars Feld bringt es auf den Punkt:

„Bayern versucht traditionell, möglichst viel Geld aus dem Bundeshaushalt nach Bayern zu holen.“

Die Mütterrente: Wahlkampfschlager mit Milliardenpreis

Was als soziale Geste begann, ist heute ein Milliardengrab für den Bundesetat. Die CSU hat in gleich drei Legislaturperioden zusätzliche Rentenpunkte für Mütter durchgesetzt – 2014, 2019 und nun wieder 2025.

Jedes Mal stiegen die Kosten. Die neueste Variante belastet den Haushalt mit 4,9 Milliarden Euro – jährlich. Damit summiert sich die Gesamtbelastung durch Mütterrente I bis III mittlerweile auf über 100 Milliarden Euro bis 2035.

Baukindergeld und Hotelsteuer: Die CSU verteidigt alte Subventionen – auch wenn der Bundesrechnungshof längst abrät.

Während Ökonomen auf fehlende Gegenfinanzierung, demografische Schieflagen und mangelnde Zielgenauigkeit verweisen, verweist die CSU lieber auf hohe Zustimmungswerte. In einer Allensbach-Umfrage von 2014 unterstützten 59 % der Befragten die Maßnahme. Das reichte für die Partei, um an dem Projekt festzuhalten – unabhängig von den langfristigen Kosten.

Steuersenkung mit kurzer Halbwertszeit

Auch bei der Mehrwertsteuer für Gastronomie gelang der CSU ein Coup. Ursprünglich als Corona-Hilfe eingeführt, wurde der Satz von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Eigentlich befristet.

Doch die CSU machte Druck – und bekam erneut, was sie wollte: eine dauerhafte Reduzierung, die den Staat nun jährlich rund 3,6 Milliarden Euro kostet. Ökonomischer Nutzen? Umstritten. Politischer Nutzen? Messbar.

Ähnlich war es 2009, als die CSU gemeinsam mit der FDP die Hotelsteuer auf 7 Prozent senkte. Offiziell, um deutsche Hoteliers gegenüber Österreich wettbewerbsfähiger zu machen. Inoffiziell: ein Geschenk an eine gut vernetzte Branche. Die Subvention existiert bis heute. Der Staat verzichtet dadurch jährlich auf 1,7 Milliarden Euro.

Baukindergeld: Symbolpolitik statt Steuerung

Ein weiteres Prestigeprojekt: das Baukindergeld. 2019 eingeführt, ursprünglich mit fast 10 Milliarden Euro veranschlagt. Die Idee: Junge Familien beim Immobilienkauf unterstützen.

Die Realität: Laut Bundesrechnungshof erreichte das Programm nicht die Zielgruppe, sondern sorgte für Mitnahmeeffekte und Preissteigerungen. Doch die CSU hielt daran fest. Für Horst Seehofer war klar: „Es geht um Eigentumsbildung.“ Aus bayerischer Sicht: „Passt scho.“

Subventionen retten statt abbauen

Besonders bizarr: Selbst abgeschaffte Subventionen werden unter CSU-Einfluss wieder eingeführt. Die Agrardiesel-Subvention war eigentlich gestrichen worden – als Teil eines überfälligen Umbaus umweltschädlicher Privilegien.

Doch nach massiven Bauernprotesten und einem Schulterschluss mit der CSU nahm die neue Koalition sie zurück. Der frühere Wirtschaftsweise Lars Feld kommentierte bitter: „Man muss schon ziemlich dämlich sein, das wieder rückgängig zu machen.“

Kleine Partei, große Wirkung

Was auffällt: Die CSU ist regelmäßig die kleinste Kraft in Koalitionen – und setzt sich dennoch am deutlichsten durch. In der Union wie in SPD-geführten Bündnissen nutzt sie ihre Rolle als Zünglein an der Waage – und ihr Talent zur Medieninszenierung.

Das Muster ist immer gleich: soziale oder steuerliche Wohltat mit regionaler Verankerung, begründet mit Heimat und Tradition, flankiert von guten Umfragen. Dass viele Projekte langfristig teuer und ökonomisch nutzlos sind, spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

„Passt scho“ – auf wessen Kosten eigentlich?

Die CSU versteht Machtpolitik. Und sie versteht es, ihren Einfluss in Berlin maximal auszuschöpfen. Doch mit jedem durchgesetzten Milliardenprojekt verschiebt sich die politische Balance: weg von Nachhaltigkeit, hin zu kurzfristiger Klientelbefriedigung. Die Rechnung zahlen nicht nur künftige Generationen, sondern vor allem die Bürgerinnen und Bürger anderer Bundesländer – deren Steuerbeiträge bayerische Prioritäten finanzieren.

Das könnte man charmant nennen – oder schamlos. Aber sicher nicht: generationengerecht.

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