Deutschland rüstet auf – diesmal wirklich. Was bislang nach politischen Lippenbekenntnissen klang, nimmt nun konkrete Formen an: Laut Informationen von Bloomberg, die sich auf Quellen aus Herstellerkreisen berufen, plant die Bundesregierung unter Verteidigungsminister Boris Pistorius die größte Beschaffungsinitiative seit Bestehen der Bundeswehr.
Die Rede ist von 1.000 neuen Leopard-2-Panzern sowie 2.500 Schützenpanzern vom Typ Boxer – gefertigt von KNDS (Krauss-Maffei Wegmann/Nexter) und Rheinmetall. Das Volumen: rund 25 Milliarden Euro.
Waffen statt Wohlfahrt: Politischer Kurswechsel mit Ansage
Die nötige haushaltspolitische Grundlage wurde bereits im Frühjahr geschaffen. Im März beschloss der Bundestag – unterstützt von CDU/CSU, SPD und Grünen – die Aussetzung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben.
Damit steht dem Verteidigungsministerium eine faktisch unbegrenzte Kreditaufnahme offen, solange das Geld in Rüstungsprojekte fließt. Kanzler Friedrich Merz hatte zuvor angekündigt, Deutschland zur „stärksten konventionellen Armee Europas“ ausbauen zu wollen. Dieses Ziel wirkt nun deutlich greifbarer – und radikaler als viele erwartet hatten.
Gegenwart: Eine Armee mit rostigem Rückgrat
Die aktuelle Lage der Bundeswehr lässt keinen Zweifel daran, dass eine Modernisierung dringend nötig wäre – zumindest aus militärischer Sicht. Derzeit stehen laut dem Global Firepower Index etwa 300 Kampfpanzer in deutschen Depots.

Wie viele davon tatsächlich einsatzbereit sind, ist eine andere Frage – Schätzungen zufolge dürfte es sich um einen Bruchteil handeln.
Spanien hat mit 320 Panzern bereits mehr als Deutschland, Rumänien kommt auf 328, Polen auf 614. Sogar Griechenland übertrifft die Bundeswehr mit 1.344 Panzern deutlich. Zum Vergleich: Die USA operieren mit rund 4.600 Kampfpanzern.
Ein Wiederbelebungsprogramm für die Rüstungsproduktion
Für die deutsche Rüstungsindustrie ist der Vorstoß ein Geschenk mit Schleife. Rheinmetall und KNDS dürften bei einem Zuschlag über Jahre hinweg ausgelastet sein. Und das dürfte nicht nur den Auftragsbüchern guttun, sondern auch den Aktienkursen.
SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz brachte es auf den Punkt:
„Das schafft Planungssicherheit für die Industrie.“
Gemeint ist: Wer in der Lage ist, 1.000 Leopard-Panzer zu fertigen, kann Standorte sichern – und auch politisches Kapital gewinnen.
Wohin mit den Panzern – und wem sollen sie dienen?
Doch so eindeutig wie die Jubelrufe aus Industrie und Teilen der Politik sind, so laut wird auch die Kritik. Noch ist völlig unklar, wo die Fahrzeuge stationiert werden, wie sie personell besetzt werden sollen – und welchem strategischen Zweck sie genau dienen.
In Zeiten, in denen das Pflegebudget, Bildungsinvestitionen und Rentenreformen ausgebremst werden, wirkt ein solcher Milliardenbetrag wie ein Frontalangriff auf die Prioritäten der Gesellschaft. Auch sicherheitspolitisch stellt sich die Frage: Soll die Bundeswehr sich künftig wieder auf Landes- und Bündnisverteidigung konzentrieren – oder global intervenieren?
Das stille Schweigen der Regierung
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wollte die Berichte bislang weder bestätigen noch dementieren. Eine Entscheidung werde „in den kommenden Wochen“ erwartet.
Übersetzt: Man sondiert intern, wie groß der Widerstand aus Zivilgesellschaft, NATO-Partnern und politischen Flügeln sein könnte. Und ob man diese Aufrüstung kommunikativ als Antwort auf die geopolitischen Entwicklungen – Ukrainekrieg, Russland, Taiwan – rechtfertigen kann.
Ein Panzer für jede politische Wetterlage?
Während andere Länder längst wieder aufrüsten – Frankreich, Polen, die USA – hatte Deutschland jahrzehntelang einen Sonderweg beschritten: wenig Material, wenig Einsatzfähigkeit, viel Symbolik.
Diese Zeiten sind offenbar vorbei. Die geplante Beschaffung wäre ein Signal an Verbündete und Gegner zugleich: Deutschland meint es ernst – und ist bereit, Milliarden dafür in die Hand zu nehmen. Ob das Land damit sicherer, handlungsfähiger oder politisch stärker wird, ist hingegen eine ganz andere Frage.
Das könnte Sie auch interessieren:
