Ein Bieterkampf als Weckruf
Was früher undenkbar war, ist heute Realität: Aktivisten-Fonds krempeln Japans Konzernwelt um – und kaum jemand wehrt sich noch. Der Fall Fuji Soft zeigt, wie weit der Wandel bereits gegangen ist.
Erst forderte der größte Anteilseigner 3D Investment Partners mehr Rendite und eigene Direktoren. Als das Management nicht reagierte, versuchte der Fonds, das Unternehmen von der Börse zu nehmen – mit einem Übernahmeangebot des US-Investors KKR.
Doch plötzlich tauchte ein zweiter Interessent auf: Bain Capital. Mit einer höheren Offerte, unterstützt von der Gründerfamilie. Das Management blieb bei KKR. Nach monatelangem Gerangel setzte sich der erste Bieter durch – aber die Aktionäre jubelten trotzdem. Ihre Anteile waren inzwischen rund ein Drittel mehr wert.
Der Stil hat sich geändert
Noch vor wenigen Jahren wären solche Szenen in Japan undenkbar gewesen. Feindliche Übernahmen? Unhöflich. Forderungen nach Kapitalrückflüssen? Fast schon Tabubruch. Aktionäre? Eher stille Mitleser als selbstbewusste Eigentümer.
Doch diese Zurückhaltung ist Geschichte. Hedgefonds wie Elliott, Third Point oder Farallon haben Japan längst als Spielfeld entdeckt. Ihre Waffen: Forderungen, Analysen, Medienpräsenz. Ihre Ziele: höhere Dividenden, effizientere Strukturen, Verkäufe unrentabler Sparten. Und ihr Vorteil: ein kultureller Wandel, der sie erstmals gewähren lässt.
Gaiatsu – Druck von außen, der wirkt
In Japan gibt es ein eigenes Wort dafür: Gaiatsu – ausländischer Druck. Und der wirkt. Mehr noch: Er ist gewollt. Die japanische Regierung hat erkannt, dass sie etwas ändern muss. Das Land altert. Die Produktivität stagniert. Die Pensionskassen brauchen Erträge.

Deshalb öffnet man sich – nicht aus Begeisterung, sondern aus Notwendigkeit. Und stellt die Weichen dafür, dass Aktivisten leichter angreifen können. Der Governance-Kodex schreibt heute vor, dass Verwaltungsräte unabhängiger sein sollen.
Die Börse verlangt, dass Unternehmen ihren Wert steigern – oder erklären, warum sie es nicht tun. Und Investoren dürfen seit 2024 auf steuerfreien Sparkonten fast 115.000 Euro in Aktien anlegen.
Die Regierung ist nicht nur Zuschauer
Der Wandel kommt nicht allein aus der Wirtschaft. Auch die Politik macht mit. Das Wirtschaftsministerium METI empfiehlt heute ausdrücklich, Übernahmeangebote von externen Gremien bewerten zu lassen – nicht mehr nur intern.
Bewertet wird dabei nicht das Angebot selbst, sondern die potenzielle Wertsteigerung. Das Ziel: mehr Transparenz, mehr Verantwortung, mehr Aktionärsnutzen.
Und der Staat geht mit gutem Beispiel voran. Der riesige Government Pension Investment Fund, mit über 1,6 Billionen Euro einer der größten Anleger der Welt, investiert heute nicht mehr nur in Anleihen, sondern auch in Aktien – japanische wie internationale. Das Signal ist klar: Aktienkultur erwünscht.
Nicht alle Deals gelingen
Natürlich funktioniert nicht jede Kampagne. Sony etwa wehrte sich erfolgreich gegen Third Point. Doch der Angriff hatte Folgen: Der Konzern wurde offener, kommunizierte klarer – und der Aktienkurs zog an.
Andere Unternehmen reagieren sofort, wie Tokyo Gas. Als Elliott Druck machte, erhöhte der Versorger sein Aktienrückkaufprogramm und prüfte Verkäufe von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Immobilien.
Auch bei Astellas, einem der größten Pharmakonzerne Japans, ist Bewegung drin: Nach dem Einstieg von Farallon will man sich stärker auf späte Entwicklungsphasen bei Medikamenten konzentrieren – wo schneller Umsatz winkt.
Das neue Spiel hat neue Regeln
Was auffällt: Die Aktivisten sind nicht mehr allein. Oft stehen hinter ihnen institutionelle Anleger – auch aus Japan. Pensionsfonds, Vermögensverwalter, selbst Banken.
Viele Top-Manager reagieren deshalb proaktiv, selbst wenn ein Fonds nur wenige Prozent der Anteile hält. Die Angst vor öffentlicher Kritik – oder vor einem „Feindlichen“ – sitzt tief.
Zugleich drängen immer mehr Private-Equity-Firmen nach Japan. Blackstone will mehr investieren als in den letzten 17 Jahren zusammen. Bain Capital plant, sein Kapital in Japan zu verdoppeln. Die Carlyle Group hat einen neuen Japan-Fonds aufgelegt. Und selbst Investcorp aus dem Oman mischt inzwischen mit – unterstützt von einem ehemaligen japanischen Wirtschaftsminister.
Japans Unternehmen: Zwischen Öffnung und Selbstbehauptung
Trotzdem gibt es Grenzen. Der geplante Kauf von Seven & i Holdings durch Couche-Tard aus Kanada scheiterte. Die Regierung erklärte den Betreiber der 7-Eleven-Kette kurzerhand zum sicherheitsrelevanten Unternehmen – ein klares Signal, dass nicht jeder Zugriff erlaubt ist.
Doch der Trend ist unumkehrbar. Japans Unternehmen werden umgebaut. Von innen – und von außen. Und oft zum Besseren. Mehr Effizienz, mehr Gewinne, mehr Rücksicht auf Aktionäre.
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