10. Oktober, 2025

Unternehmen

Büro oder Verlust – US-Cyberkonzern bestraft Homeoffice-Mitarbeiter mit Aktienentzug

Der milliardenschwere Sicherheitsanbieter Tanium koppelt Aktienzuteilungen an Präsenzpflicht: Wer nicht regelmäßig im Büro erscheint, verliert Teile seiner Vergütung. Ein Tabubruch in der Techbranche – und ein gefährlicher Präzedenzfall.

Büro oder Verlust – US-Cyberkonzern bestraft Homeoffice-Mitarbeiter mit Aktienentzug
Das US-Unternehmen Tanium koppelt Aktienzuteilungen an Anwesenheit – ein Bruch mit der Start-up-Tradition von Vertrauen und Flexibilität.

Wenn die Aktie zur Waffe wird

Während viele Unternehmen noch um den richtigen Umgang mit Hybridarbeit ringen, greift einer der reichsten Cybersecurity-Konzerne der USA zu einer drastischen Maßnahme: Tanium, bewertet mit rund neun Milliarden Dollar, entzieht Mitarbeitern, die gegen die Rückkehr-ins-Büro-Regel (RTO – Return to Office) verstoßen, künftig Aktienanteile.

Nach Angaben mehrerer Insider sollen Beschäftigte, die nicht regelmäßig ins Büro kommen, ihre „Equity Refresh“-Zuteilungen verlieren – jene lukrativen Aktienpakete, die sonst regelmäßig als Bonus ausgezahlt werden. Eine interne Ankündigung? Fehlanzeige. Offiziell ist von dieser neuen Härte bislang nichts zu lesen, doch im Unternehmen macht sie längst die Runde.

„Tanium nutzt Aktien als Druckmittel“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, „und das in einer Branche, in der Beteiligungen traditionell ein zentraler Teil des Gehalts sind.“

Millionenverlust für die, die lieber von zu Hause arbeiten

In der Welt der Start-ups und Tech-Firmen sind Aktienoptionen oft der eigentliche Reiz eines Jobs. Wer früh dabei ist, kann beim Börsengang oder Verkauf eines Unternehmens Millionen verdienen. Werden diese Anteile gestrichen, verliert der Mitarbeiter nicht nur Geld, sondern Zukunftschancen.

Gerade deshalb gilt Taniums Schritt als beispiellos. Selbst Konzerne wie Microsoft, Amazon oder AT&T, die ebenfalls auf eine strengere Rückkehrpflicht drängen, haben bislang nur mit Abmahnungen oder Kündigungen gedroht – nicht mit finanziellen Sanktionen.

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Der renommierte Stanford-Ökonom Nicholas Bloom, einer der bekanntesten Forscher zum Thema Remote Work, bezeichnet die Praxis als „neue Eskalationsstufe“. Er habe noch nie gehört, dass Unternehmen Angestellten Aktien entziehen, nur weil sie Homeoffice bevorzugen.

„Das ist keine Motivationsstrategie mehr, das ist Druck“, sagt Bloom.

Vom Remote-Vorbild zum Bürozwang

Tanium, 2007 von David und Orion Hindawi, Vater und Sohn, gegründet, galt lange als Vorzeigeunternehmen für modernes Arbeiten. In der Pandemie setzte die Firma vollständig auf Remote Work und zog damit Fachkräfte aus aller Welt an.

Doch seit Ende 2023 weht ein anderer Wind. Die Unternehmensführung ordnete an, dass alle Beschäftigten, die innerhalb eines 50-Meilen-Radius von einem Büro wohnen, an mindestens zwei Tagen pro Woche vor Ort sein müssen. Später wurde der Radius auf 35 Meilen verkleinert – um mehr Mitarbeiter in die Präsenzpflicht zu zwingen.

Zur Kontrolle nutzt Tanium inzwischen elektronische Zugangsdaten, also das Scannen der Mitarbeiterausweise. Wer seltener kommt, wird registriert – und möglicherweise sanktioniert.

Alte Muster, neuer Zwang

Der Konzern ist für umstrittene Personalpolitik kein unbeschriebenes Blatt. Bereits 2020 berichtete Bloomberg, dass Tanium kurz vor dem Vesting-Termin – also kurz bevor Aktienanteile endgültig in den Besitz der Mitarbeiter übergingen – Beschäftigte entlassen haben soll.

Zudem soll es eine „Clawback-Klausel“ gegeben haben, mit der das Unternehmen Anteile von Mitarbeitern zurückkaufte – auch gegen deren Willen. Jetzt scheint Tanium einen weiteren Weg gefunden zu haben, Kontrolle über die Belegschaft auszuüben: durch finanzielle Abhängigkeit.

Zwischen Kontrolle und Kulturwandel

In den USA hat sich die Front im Streit um das Homeoffice längst verhärtet. Während Tech-Giganten wie Apple, Meta oder Google zunehmend wieder Präsenzpflicht einführen, gilt der Umgang mit Mitarbeitern als Gradmesser für Unternehmenskultur.

Dass Tanium den Weg über die Vergütung wählt, zeigt, wie angespannt die Lage ist. Die Führung sieht den persönlichen Austausch im Büro als unerlässlich, doch die Belegschaft empfindet die Maßnahme als Misstrauensvotum. „Es geht hier nicht um Produktivität, sondern um Kontrolle“, sagt ein Insider.

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Ein riskanter Präzedenzfall

Noch hat sich kein anderes großes Tech-Unternehmen öffentlich dem Beispiel Taniums angeschlossen. Doch Experten warnen, dass das Modell Schule machen könnte – vor allem in Firmen, die auf sinkende Produktivität und mangelnde Teambindung verweisen.

Für Tanium könnte der Kurs teuer werden. Die Branche ist notorisch wettbewerbsintensiv, und Fachkräfte mit Cybersecurity-Kompetenz können sich ihre Arbeitgeber aussuchen. Wer Talente mit Drohungen hält, riskiert, sie langfristig zu verlieren.

Zwischen Macht und Misstrauen

Dass die Unternehmensleitung die Regel bislang nicht offiziell kommuniziert hat, zeigt, wie heikel der Schritt selbst intern eingeschätzt wird. Offiziell spricht CEO Dan Streetman von der „Bedeutung des persönlichen Austauschs“. Doch der Druck auf Mitarbeitende ist real – und wächst.

Wenn Unternehmen beginnen, Beteiligungen als Disziplinierungsinstrument zu nutzen, stellt sich eine größere Frage: Wie viel Vertrauen bleibt noch zwischen Arbeitgeber und Belegschaft, wenn Loyalität zur Pflicht wird?

Tanium liefert darauf eine klare, aber unbequeme Antwort.

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