Vom Börsenliebling zum Wackelkandidaten
2019 galt Beyond Meat als Revolutionär. Mit pflanzlichen Burgern, die echtes Fleisch imitieren sollten, zog das US-Unternehmen Milliarden an Investorengeldern an. Der Börsenkurs schoss zeitweise auf über 235 US-Dollar – ein Sinnbild für die Hoffnung auf eine fleischfreie Zukunft.
Sechs Jahre später liegt die Aktie bei kaum einem Dollar. Aus dem einstigen Wachstumswunder ist ein Sanierungsfall geworden. Im laufenden Monat verlor der Titel an der NASDAQ rund 77 Prozent, allein in den letzten fünf Handelstagen knapp 40 Prozent. Zwischenzeitlich gab es zwar spektakuläre Gegenbewegungen – am Freitag sprang der Kurs um 25 Prozent, vorbörslich sogar um 59 Prozent –, doch die Erholung ist kaum mehr als ein Reflex des Marktes.

Kapitalverwässerung in historischem Ausmaß
Der Auslöser der jüngsten Kurskapriolen ist eine Maßnahme, die Branchenkenner als „finanzielles Himmelfahrtskommando“ bezeichnen: Beyond Meat wandelte Anleihen im Wert von 1,1 Milliarden US-Dollar in neue Schuldpapiere und über 316 Millionen neue Aktien um – eine Verfünffachung der bisherigen Aktienanzahl.
Was für das Unternehmen kurzfristig Liquidität bringt, bedeutet für Altaktionäre eine massive Verwässerung. „Der Markt hat das Vertrauen verloren“, urteilt ein Analyst der US-Bank TD Cowen, die ihr Kursziel von 2,00 auf 0,80 US-Dollar senkte und die Aktie auf „Sell“ herabstufte.
Sobald die Verkaufssperre für die neuen Aktien endet, droht weiterer Druck – denn viele Investoren dürften ihre Anteile umgehend auf den Markt werfen, um Verluste zu begrenzen.
Shortseller wittern Blut
Aktuell sind laut Fintel rund 62 Prozent aller Beyond Meat-Aktien leerverkauft – ein außergewöhnlich hoher Wert, selbst für einen Krisenwert. Das erklärt, warum jede kleine Erholung explosionsartig verläuft: Wenn Shortseller ihre Positionen schließen müssen, schnellen die Kurse kurzfristig nach oben.
Doch solche technischen Gegenbewegungen täuschen nicht über die fundamentale Misere hinweg. Beyond Meat verbrennt weiter Geld. Der Umsatz im zweiten Quartal 2025 fiel um fast 20 Prozent auf 74,96 Millionen US-Dollar, während der Verlust bei 0,38 US-Dollar je Aktie lag. Für das dritte Quartal erwarten Analysten sogar ein Minus von 1,92 US-Dollar je Aktie.
Eine Branche verliert ihre Strahlkraft
Das Debakel steht sinnbildlich für den gesamten Markt der Fleischalternativen. Nach einem kurzen Boom während der Pandemie schwächelt die Nachfrage – sowohl in den USA als auch in Europa. Die Verbraucher sind preissensibler geworden, Supermärkte reduzieren ihr Sortiment, und Konkurrenten wie Impossible Foods oder Oatly kämpfen mit ähnlichen Problemen.
Gleichzeitig leidet Beyond Meat unter steigenden Rohstoff- und Energiekosten sowie hohen Marketingausgaben. Die Vision vom nachhaltigen Massenprodukt kollidiert mit einer Realität, in der viele Konsumenten lieber zum günstigeren Fleisch greifen.
„Beyond Meat hat sich verkalkuliert“, sagt ein Branchenanalyst. „Das Unternehmen hat zu früh zu groß gedacht und seine Profitabilität geopfert.“
Analysten senken die Daumen
Auf der Plattform TipRanks raten derzeit fünf von acht Analysten zum Verkauf, drei zum Halten. Kein einziger empfiehlt den Kauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 2,20 US-Dollar, doch die meisten Experten haben die jüngste Kapitalmaßnahme darin noch nicht eingepreist.
Selbst konservative Häuser wie Argus und JPMorgan erwarten, dass Beyond Meat in den kommenden Quartalen weiter schrumpft. Die Margen seien zu niedrig, das Geschäftsmodell zu anfällig für Preisdruck und Trendschwankungen.
Zwischen Insolvenzgerüchten und Spekulation
Im Markt kursieren seit Wochen Insolvenzgerüchte, die das Unternehmen offiziell nicht kommentiert. Die hohen Verluste, die Schuldenlast und der rapide Kursverfall nähren jedoch Spekulationen über eine Restrukturierung – oder einen möglichen Aufkauf durch einen größeren Lebensmittelkonzern.
Gleichzeitig zieht der niedrige Kurs spekulative Trader an, die auf kurzfristige Gegenbewegungen setzen. Für langfristige Investoren ist das Papier dagegen kaum kalkulierbar.
„Beyond Meat ist derzeit keine Investmentstory, sondern eine Zockeraktie“, sagt ein US-Analyst. „Die Schwankungen sind gewaltig, aber die Richtung bleibt klar nach unten.“
Vom Hoffnungsträger zum Lehrstück
Beyond Meat war einmal das Symbol für die Ernährungswende. Heute ist das Unternehmen ein warnendes Beispiel dafür, wie schnell Innovation ohne wirtschaftliches Fundament verpuffen kann.
Während sich das Management mit Finanzakrobatik über Wasser hält, droht der Marke die Bedeutung zu entgleiten. Die Ironie: Ausgerechnet das Unternehmen, das die Welt vom Fleisch entwöhnen wollte, ist selbst zum Opfer des eigenen Hypes geworden – überhitzt, überschuldet, überbewertet.
