Ein weiterer Rückschlag für Boeing
Die Nachricht ist knapp, der Schaden erheblich: Auf dem Weg von Korfu nach Düsseldorf musste ein Ferienflieger der Fluglinie Condor am Samstagabend außerplanmäßig im süditalienischen Brindisi landen.
Der Grund: eine Triebwerksstörung an einer Boeing 757 – mit Flammenbildung, wie Passagiere berichten. Für den Flugzeugbauer aus den USA ist der Vorfall nicht nur ein technisches, sondern vor allem ein imagepolitisches Problem.
Schon wieder steht eine Boeing-Maschine im Zentrum eines Vorfalls, bei dem viele Fragen offen bleiben – und noch mehr Zweifel wachsen.
Zischende Realität auf Urlaubsflug DE 3665
273 Menschen an Bord, ein Knall, dann Flammen am Triebwerk. Was sich wie der Anfang eines Katastrophenfilms anhört, spielte sich tatsächlich am Samstagabend über dem Ionischen Meer ab.
Während Condor betont, es habe keinen Triebwerksbrand gegeben, schildern Augenzeugen das Geschehen deutlich dramatischer. Ein lauter Knall sei zu hören gewesen, es habe „deutlich sichtbar“ geflammt.
Die Boeing 757 überquerte trotz der Warnanzeige die Adria und landete erst rund 200 Kilometer später in Brindisi – sicher, aber verspätet und mit beschädigtem Vertrauen.
Widersprüche zwischen Cockpit und Kabine
Laut offiziellen Angaben meldete die Cockpitanzeige eine Störung des Luftstroms im Triebwerk – eine Formulierung, die harmlos klingt, aber ernst genommen werden muss.

Zwar betonen sowohl Condor als auch die Behörden, es habe sich nicht um ein akutes Feuer gehandelt, doch die Bilder und Berichte aus dem Flugzeug sprechen eine andere Sprache. Dass der Pilot die Situation offenbar als „nicht kritisch“ einstufte, wirft Fragen auf.
War der Weiterflug über die Adria angesichts der Störung wirklich vertretbar? Oder handelte es sich um eine riskante Fehleinschätzung?
Brindisi statt Düsseldorf – und eine Nacht am Flughafen
Was folgte, war für viele Fluggäste mehr als nur eine Verzögerung. In Brindisi standen nicht genug Hotelzimmer bereit, viele Passagiere mussten die Nacht im Terminal verbringen – mit Decken und Gutscheinen.
Die Kommunikation sei holprig gewesen, berichten Betroffene, die Airline habe bemüht, aber überfordert gewirkt. Erst am nächsten Vormittag ging es per Ersatzmaschine weiter nach Düsseldorf. Für die meisten blieb nicht nur die Nacht ungemütlich, sondern auch ein mulmiges Gefühl zurück.
Boeings Ruf fliegt mit – und wackelt
Für Boeing ist der Vorfall mehr als eine Randnotiz: Das Vertrauen in die Sicherheitskultur des US-Flugzeugbauers hat in den letzten Jahren ohnehin stark gelitten. Erst im Januar 2024 hatte sich bei einem Alaska-Airlines-Flug eine Kabinentür in der Luft gelöst – eine Panne, die weltweit für Aufsehen sorgte und den Konzern erneut in eine Krise stürzte.
Interne Whistleblower, Qualitätsmängel, Produktionsdruck: Boeing steht seit Jahren unter Druck, verlor den Nimbus des verlässlichen Premiumherstellers – und mit ihm Milliarden an Börsenwert.
Auch diesmal trifft den Konzern die Schuld nicht direkt – das Triebwerk stammt von Rolls-Royce – doch für Passagiere verschwimmen diese Details. Für viele war es ein Boeing-Flug, bei dem Flammen aus dem Triebwerk schlugen.
Investoren bleiben nervös
An der Börse zeigt sich das Misstrauen in Zahlen. Die Boeing-Aktie war in den letzten zwölf Monaten ohnehin unter Druck und pendelte zuletzt um die Marke von 200 US-Dollar – ein Bruchteil früherer Höchststände. Nach dem Vorfall mit Condor reagierten Anleger zwar nicht panisch, aber wachsam.
Die Aktie gab leicht nach, die Diskussion über Sicherheit, Wartung und Verantwortung kocht wieder hoch. In einem ohnehin angespannten Marktumfeld kann jeder Zwischenfall den Ausschlag geben – besonders wenn es um Passagierflugzeuge geht.
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Ein strukturelles Problem
Dass Boeing erneut mit einem negativen Vorfall in Verbindung gebracht wird, ist kein Zufall. Der Konzern kämpft seit der 737-Max-Katastrophe von 2018/2019 mit einem Reputationsverlust, von dem er sich nicht erholt hat.
Damals starben 346 Menschen bei zwei Abstürzen – die Ursache war ein fehlerhaftes Steuerungssystem. Es folgte ein weltweiter Flugstopp, milliardenschwere Entschädigungen und der Rauswurf des damaligen CEOs.
Seitdem begleitet das Wort „Vertrauenskrise“ jede Pressemitteilung aus Chicago. Und auch wenn die aktuelle 757 nicht direkt betroffen ist: Jeder Vorfall weckt die alten Geister.
Und die Verantwortung?
Condor agiert bislang souverän – betont die Sicherheit der Landung, verweist auf die laufende Untersuchung und entschuldigt sich für die Umstände. Doch die zentrale Frage bleibt: Wie konnte es trotz Warnsignal und Flammen zur Weiterreise über die Adria kommen?
Die Entscheidung des Cockpits, die Maschine nicht sofort zu landen, dürfte von den Behörden überprüft werden. Auch die Frage, ob das betroffene Triebwerk in den letzten Monaten auffällig war, wird nun eine Rolle spielen. Hier dürfte auch Boeing zur Aufklärung beitragen müssen – ob gewollt oder nicht.
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