Das Zinsrätsel bleibt ungelöst
Die großen Zentralbanken halten sich bedeckt. Die Fed wartet auf die Folgen der Trump-Zölle, die EZB rudert vorsichtig zurück, und die Märkte schwanken zwischen Zinssenkungshoffnung und Inflationsangst. Eine klare Durationstrategie? Kaum zu finden.
Wer auf lange Laufzeiten setzt, braucht heute entweder Mut – oder einen klaren Krisenblick. In den USA gilt: Erst wenn sich die Konjunktur spürbar eintrübt, dürfte die Notenbank ernsthaft lockern. Bis dahin bleibt eine neutrale oder maximal leicht verlängerte Duration die sicherere Wahl.
Wichtige Ausnahme: Großbritannien und Australien. Dort sprechen lokale Faktoren – etwa diszipliniertere Haushaltspläne – für längere Laufzeiten. Doch im Euroraum gilt: Die fiskalischen Risiken steigen, und mit ihnen auch die Langfristrenditen.
Credits attraktiver als sie scheinen
Wer sich bislang von engen Credit-Spreads hat abschrecken lassen, sollte den Blickwinkel ändern. Denn: Wenn US-Staatsanleihen durch politische Risiken und ein wachsendes Haushaltsdefizit an Kreditwürdigkeit verlieren, sind ihre Renditen womöglich kein „risikoloser Maßstab“ mehr. Die Folge: Unternehmensanleihen wirken im Vergleich weniger lukrativ, als sie tatsächlich sind.
Lesen Sie auch:

Eine Anpassung der Credit-Spreads – bereinigt um die Bonitätsveränderung der USA – zeigt: Investmentgrade-Papiere sind deutlich attraktiver als oft angenommen. Statt enger Risikoprämien offenbaren sich bei genauerem Hinsehen realistische Chancen – vor allem in den USA, aber auch in Europa. Für Investoren bedeutet das: Staatsanleihen sind nicht immer sicherer als Unternehmensanleihen.
Anleihen und Aktien: Die alte Trennung kehrt zurück
Lange Zeit bewegten sich Aktien und Anleihen im Gleichklang – getrieben von Zinserwartungen. Seit Ende 2023 deutet sich eine Trendwende an. Die Korrelation nimmt ab. Anleihen werden wieder das, was sie einst waren: Stabilisatoren in unruhigen Portfolios.
Mit Carry-Renditen auf historischem Hoch und vergleichsweise geringem Zinsrisiko können sie wieder einen echten Beitrag zur Diversifikation leisten – besonders in Multi-Asset-Strategien, die nicht allein auf Kursfantasie setzen. Wer heute noch auf Aktien setzt, braucht Nerven – wer Anleihen beimischt, gewinnt Puffer.
Lokalwährungsanleihen – das unterschätzte Potenzial
Emerging Markets? Für viele Anleger noch immer ein politisches Minenfeld. Doch wer genauer hinsieht, erkennt ein attraktives Renditeprofil – vor allem bei Lokalwährungsanleihen. Der entscheidende Faktor: der schwächelnde US-Dollar. Je weiter er fällt, desto stärker profitieren Schwellenländerwährungen – und mit ihnen die Renditen.
Lesen Sie auch:

Zudem könnten die lokalen Notenbanken schneller und mutiger agieren als Fed & EZB. Bereits heute sinken die Zinsen in Lateinamerika, Mittel- und Osteuropa. Die Realrenditen liegen oft bei über drei Prozent – ein Niveau, das Industrieländer aktuell nicht bieten.
Wer breit diversifiziert, nicht zu stark auf Asien setzt und den Dollar im Blick behält, hat gute Karten. Der wichtigste Index – der JPMorgan GBI-EM – umfasst 19 Länder. Die Risiken sind da. Aber die Chancen auch.
Private Credit – beliebt, aber nicht ohne Fallstricke
Seit Jahren zieht Private Debt Kapital an – auch, weil es verspricht, was viele andere Anlageklassen nicht mehr liefern: Stabilität, Rendite, und Zugang zu individuellen Kreditstrategien. Doch die Realität ist komplexer geworden. Der Markt ist heute groß, weniger ineffizient – und vor allem: deutlich illiquider als klassische Anleihenmärkte.
Gerade in Stressphasen wird das zum Problem. Die britische Pensionskrise 2022 war ein Warnschuss, ebenso wie die Turbulenzen im Bankensektor 2023. Private Credit ist nicht zwingend ein sicherer Hafen – vor allem nicht für Investoren mit kurzfristigem Liquiditätsbedarf.
Zudem sind die Renditen zuletzt gefallen: Laut MSCI Private Capital Universe lagen sie 2024 unter denen klassischer High-Yield-Bonds. Strategische Allokationen bleiben sinnvoll, aber nicht blind. Der Markt braucht Disziplin – nicht Euphorie.
Fünf Takte für die zweite Jahreshälfte
- Duration diszipliniert steuern. Es gibt aktuell keinen Grund für übermäßige Laufzeitrisiken – es sei denn, die Konjunktur kippt.
- Credit-Spreads richtig lesen. Staatsanleihen sind nicht mehr automatisch risikolos – Unternehmensanleihen können attraktiver sein.
- Anleihen zurück ins Portfolio. Die Korrelation zu Aktien sinkt – Diversifikation funktioniert wieder.
- Emerging Markets nicht ignorieren. Lokalwährungsanleihen punkten mit hohen Realrenditen – und einem schwachen Dollar im Rücken.
- Private Credit mit Maß genießen. Illiquidität ist kein abstraktes Risiko – sondern eines, das real werden kann.
Nur eine Empfehlung: Hinschauen.
Der Anleihenmarkt 2025 verlangt mehr als einfache Antworten. Die Welt ist politisch unübersichtlicher geworden, Zinstrends sind brüchiger, Bewertungsmaßstäbe müssen neu gedacht werden. Wer bereit ist, sich von alten Gewissheiten zu lösen, findet auch in dieser Lage Chancen – mit Maß, mit Augenmaß und mit Mut zur Analyse.
Das könnte Sie auch interessieren:
