Ein Hochhaus als Symbol des Niedergangs
10.000 Euro für eine Eigentumswohnung – weniger als ein gebrauchter Kleinwagen. Im berüchtigten „Weißen Riesen“ im Duisburger Stadtteil Hochheide ist das neuerdings der Schätzwert vieler 68-Quadratmeter-Einheiten. Aufgerufen werden die Summen bei Zwangsversteigerungen, gleich 39 Wohnungen derselben Eigentümerin kommen bis 2026 unter den Hammer.
Was auf den ersten Blick nach einem Glücksfall für Schnäppchenjäger klingt, offenbart bei näherem Hinsehen die Misere einer ganzen Wohnungslandschaft: Schädlingsbefall, Schimmel, Feuchtigkeitsschäden, fehlende Böden, kaputte Bäder, offene Asbestfragen. Von einem „wirtschaftlichen Missverhältnis“ sprechen die Gutachter – eine freundliche Umschreibung für den Befund: Die Wohnungen sind praktisch unverkäuflich.

Gutachten lesen sich wie Schadensprotokolle
Die öffentlich einsehbaren Wertgutachten lesen sich stellenweise wie Protokolle aus einer Katastrophenschutzakte. „Starker Schädlingsbefall bereits vor der Wohnungstür“ notieren die Sachverständigen in mehreren Fällen. Fotos zeigen Müllsäcke auf den Fluren, nackte Rohbauwände in Badezimmern, Taubenbefall auf Balkonen.
Viele Wohnungen konnten die Gutachter gar nicht betreten – Leerstand oder unklare Bewohnerlage. Doch schon der Blick aus dem Hausflur reichte oft aus, um den Marktwert drastisch nach unten zu korrigieren. Selbst für die vermeintlich „besseren“ Einheiten in den oberen Etagen mit Fernblick taxierten die Fachleute maximal 25.000 Euro.

Warum auch Investoren draufzahlen würden
Dass die Wohnungen trotz Spottpreisen kaum attraktive Investments darstellen, liegt nicht nur am baulichen Zustand. Die laufenden Kosten verschlingen jeden rechnerischen Vorteil: Das hohe Hausgeld trifft auf minimale Mieterträge. In vielen Fällen dürfte die Bewirtschaftung zu Verlusten führen – ein Albtraum für jeden Vermieter.
Die Region um die „Weißen Riesen“ gilt ohnehin als Problemviertel. Leerstände, hohe Fluktuation, soziale Spannungen: Selbst Paketboten und Lieferdienste mieden in der Vergangenheit die Adresse. Die Substanz wurde seit den 1980er-Jahren kaum modernisiert. Heute sind mehr als die Hälfte der Wohnungen verwaist.
Vom Vorzeigeprojekt zum Problemfall
Errichtet in den 1970er-Jahren, waren die „Weißen Riesen“ einst Ausdruck des deutschen Hochhaus-Optimismus. Großzügige Wohnungen mit Blick über die Ruhr, verkehrsgünstige Lage, nahegelegene Geschäfte – so lauteten die Verkaufsargumente. Doch mit den Jahrzehnten kippte das Bild: Vernachlässigung, ausbleibende Investitionen und sozialer Abstieg machten aus Prestige-Bauten Symbole des Niedergangs.
Drei der ursprünglich sechs Türme hat die Stadt bereits abreißen lassen. Auf dem Gelände entsteht ein Stadtpark – ein sichtbarer Versuch, verlorene Stadtlandschaften zurückzuerobern. Die verbliebenen drei Häuser jedoch stehen noch – teils bewohnt, teils leer, ganz sicher problembehaftet.
Die bittere Realität hinter dem Billigpreis
Der „Weiße Riese“ zeigt exemplarisch, wie eine Immobilie trotz Lage im Ballungsraum und minimaler Preise zur Wertfalle wird. Die niedrigen Einstiegskosten verschleiern die Realität: Investoren übernehmen mit dem Kauf nicht nur vier Wände, sondern auch ein Paket aus Sanierungsbedarf, Kostenexplosion und sozialem Sprengstoff.
Wer glaubt, für 10.000 Euro eine rentable Kapitalanlage zu erwerben, läuft Gefahr, sich in einem maroden Betonklotz zu verfangen, der längst mehr Symbol für Versagen in Stadtentwicklung und Immobilienpolitik ist als ein Hoffnungsträger für Gewinn.
