Noch vor wenigen Jahren standen gläserne Hochhäuser mit Infinity-Pools, Yoga-Studios und Concierge-Service in New York, Miami oder Los Angeles für Exklusivität – für eine Wohnwelt, die nur den obersten Zehntausend vorbehalten schien. Heute ist der Markt gekippt. Luxuswohnungen sind plötzlich so alltäglich geworden, dass sie vielerorts sogar günstiger sind als die traditionsreichen Altbauten aus der Vorkriegszeit.
Das Paradox des Überflusses
Der Grund liegt in der schlichten Logik von Angebot und Nachfrage. 2024 erreichte der US-Wohnungsbau ein Rekordhoch: Über eine halbe Million neue Apartments gingen allein in diesem Jahr ans Netz, 9 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 2025 folgten weitere 506.000 Einheiten. Fast alle wurden mit „Luxus“-Stempel vermarktet, ausgestattet mit Dachgärten, Coworking-Spaces und Spa-Bereichen.
Doch mit der Masse verschwand der Nimbus des Besonderen. Um ihre Häuser zu füllen, überbieten sich Entwickler in „Amenity Wars“ – dem Wettstreit um immer ausgefallenere Extras. Gleichzeitig locken sie Mieter mit Rabatten: zwei Monate mietfrei, Fitnesskurse inklusive oder Gutschriften für Umzugskosten.

Das Resultat: Die nominalen Mietpreise bleiben hoch, doch die sogenannten Netto-Mieten sinken. Effektiv wohnen viele Amerikaner heute günstiger im gläsernen Tower mit Concierge als in einem unsanierten Gebäude aus den 1960er-Jahren.
Die neue Macht der Altbauten
Ironischerweise gewinnen ausgerechnet die ältesten Immobilien wieder an Prestige. Pre-War-Bauten – also Gebäude, die vor 1946 errichtet wurden – verzeichnen in Metropolen wie New York oder Boston teilweise stärkere Mietsteigerungen als die brandneuen Türme.
Der Grund: Ihr Bestand ist begrenzt, ihre Lage oft unschlagbar. Ein Brownstone in Brooklyn oder eine klassische Upper-East-Side-Residenz mag keine Dachterrasse haben, dafür aber Geschichte, Charakter und häufig eine Adresse, die Investoren und wohlhabende Familien anzieht.
In der Sprache des Marktes: Altehrwürdige Immobilien sind knapp, und Knappheit erzeugt Wert.

Wenn Luxus zur Massenware wird
Was einst exklusiv war, hat sich in ein standardisiertes Wohnprodukt verwandelt. Pool, Fitnessstudio, Co-Working-Space – all das gehört mittlerweile zur Basisausstattung neuer Wohnanlagen. Besonders Millennials und Gen Z-Mieter haben den Trend befeuert. Viele von ihnen erlebten die Pandemie in spartanischen Wohnungen. Danach wollten sie mehr Komfort in den eigenen vier Wänden – am besten alles unter einem Dach.
Der Effekt: Während klassische Hochglanz-Features inzwischen selbstverständlich sind, avancieren ganz andere Faktoren zu Unterscheidungsmerkmalen – etwa die Nähe zu Parks, Schulen oder urbanem Nachtleben. Luxus wird wieder über Lage und Geschichte definiert, nicht über die Zahl der Whirlpools im Keller.
Überangebot mit Folgen
Die aktuelle Entwicklung ist ein Warnsignal für Investoren. In Städten wie Austin oder Phoenix führte der Bau-Boom schon zu Mietrückgängen von über 20 Prozent. Dort, wo zu viele Einheiten gleichzeitig auf den Markt drängten, kippte die Balance.
Das Beispiel zeigt: Luxus lässt sich nicht beliebig skalieren. Wenn jedes Haus „Premium“ ist, wird Premium zum Standard. Für Projektentwickler bedeutet das, dass sie entweder noch radikalere Konzepte liefern müssen – oder dass die Renditen schrumpfen.
Das stille Comeback des „Old Money“
Was bedeutet das für den Markt? Kurzfristig profitieren Mieter, die aus einer größeren Auswahl wählen können und echte Luxusangebote zu moderaten Preisen bekommen. Langfristig aber verschiebt sich der Maßstab: Echte Exklusivität findet man nicht mehr in den anonymen Glasfassaden am Stadtrand, sondern in den rar gewordenen, historischen Vierteln.
Luxuswohnungen sind damit Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Sie haben sich selbst entzaubert – und den alten Stadthäusern, die man einst als veraltet belächelte, neues Leben eingehaucht.
