Keine Option vom Tisch
Es war mehr als nur ein Satz in einem Sommerinterview. Als Lars Klingbeil (SPD) am Sonntag im ZDF über die klaffende Haushaltslücke sprach, ließ er keinen Zweifel daran: Steuererhöhungen sind für ihn kein Tabu. „Ich nehme keine Option vom Tisch“, sagte der Bundesfinanzminister – und meinte damit konkret höhere Abgaben für Menschen mit „superhohen Vermögen“ und Spitzenverdiener.
Der Hintergrund: Allein im Bundeshaushalt 2027 fehlen nach aktuellen Schätzungen rund 30 Milliarden Euro. Über die gesamte mittelfristige Finanzplanung bis 2029 summiert sich die Lücke sogar auf 172 Milliarden Euro. Die Ampel hat sich ein gigantisches Loch gegraben – und sucht nun verzweifelt nach dem Weg hinaus.
Der neue Ton: Gerechtigkeit durch Belastung?
Klingbeil gibt sich kämpferisch: „Welchen Teil tragen wir dazu bei, dass dieses Land gerechter wird?“, fragt er – rhetorisch, aber gezielt. Seine Botschaft: Wer viel hat, muss künftig mehr schultern. Damit bringt der Finanzminister nicht nur eine Rückkehr zur Vermögensteuer wieder näher an den politischen Horizont, sondern stellt auch die bisherigen roten Linien der Großen Koalition in Frage.
Doch genau hier beginnt das Dilemma. Während Klingbeil den Gerechtigkeitsbegriff der SPD neu auflädt, kommt aus der Union – wenig überraschend – massive Gegenwehr. CSU-Chef Markus Söder nennt Steuererhöhungen „Klassenkampf von oben“ und verweist auf das Leistungsprinzip. Die üblichen Fronten, doch diesmal mit neuer Schärfe.
Wer hat die Lücke eigentlich verursacht?
Interessant ist dabei: Ein Teil der Milliardenlücke ist politisch hausgemacht – auch durch Söder selbst. Die Mütterrente, die Rückkehr zur Agrardiesel-Subvention und die reduzierte Mehrwertsteuer in der Gastronomie sind Vorhaben, die Milliarden kosten. Alle drei wurden maßgeblich von der Union in die Koalitionsverhandlungen getragen – mit SPD-Unterstützung.

Dass Klingbeil nun den Spieß umdreht und Söder indirekt für die Schieflage verantwortlich macht, zeigt, wie angespannt die Lage ist. Der Finanzminister verlangt Einsparungen „als Teamleistung“ – doch in Wahrheit kämpft hier gerade jeder für sich.
Sparen oder umverteilen – oder beides?
Klingbeil spricht von einer „enormen Kraftanstrengung“, die nun nötig sei. Alle Ministerien müssten Vorschläge vorlegen, wie sie ihren Anteil am Sparkurs leisten können. Gleichzeitig will er sich nicht auf reines Kürzen beschränken – und öffnet damit die Tür für eine Umverteilungsdebatte.
Was er nicht sagt: Es wird am Ende kaum ohne Einschnitte für breite Bevölkerungsschichten gehen. Denn selbst wenn man Reiche stärker besteuert – was juristisch und politisch alles andere als trivial ist – bleibt ein großer Teil des Defizits ungelöst. Allein mit Symbolpolitik wird sich die Lücke nicht schließen lassen.
Spitzen gegen Reiche – und gegen die Kollegin
Im Interview teilt Klingbeil nicht nur Richtung CSU aus, sondern auch intern. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hatte kürzlich mehr Arbeit und ein höheres Renteneintrittsalter gefordert. Klingbeils Konter:
„Meistens erlebe ich, dass Menschen mit sehr hohen Einkommen einen Appell an das ganze Land richten, dass doch jetzt alle mal mehr arbeiten sollen.“
Der Subtext ist klar: Wer fordert, soll auch liefern. Doch solche Seitenhiebe innerhalb des Kabinetts sind kaum ein Zeichen für die vielbeschworene „Teamleistung“. Sie deuten vielmehr auf eine Koalition hin, die unter wachsendem Druck steht – inhaltlich wie atmosphärisch.
Realismus statt Rhetorik
Was Klingbeils Vorschläge bisher vermissen lassen, ist die genaue Rechnung. Weder ist klar, ab welchem Einkommen welche Belastungen vorgesehen wären, noch ist absehbar, ob sich dafür im Bundestag überhaupt eine Mehrheit fände – geschweige denn im Bundesrat.
Die SPD spielt mit der Idee eines „sozial gerechten Lastenausgleichs“, doch noch fehlt das Konzept. Und auch das Sparziel von 30 Milliarden Euro wirkt im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld ambitioniert. Die deutsche Wirtschaft wächst kaum, die Sozialausgaben steigen, und die Spielräume schrumpfen.
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