20. Juli, 2025

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Warum Deutschlands Motivation im Job dramatisch bröckelt

Laut einer neuen EY-Studie macht inzwischen jeder vierte Beschäftigte in Deutschland nur noch das Nötigste. Besonders drastisch: Der Anteil „hochmotivierter“ Mitarbeiter hat sich seit 2019 mehr als halbiert – ausgerechnet der öffentliche Dienst sticht positiv hervor.

Warum Deutschlands Motivation im Job dramatisch bröckelt
Jeder vierte Beschäftigte in Deutschland arbeitet nur noch nach Vorschrift – eine Entwicklung, die laut EY-Studie 2024 dramatisch zugenommen hat und Unternehmen Milliarden kostet.

Jeder Vierte schaltet ab – mitten im Schichtbetrieb

Die Zahlen sind ein Warnsignal, das kaum lauter sein könnte: 28 Prozent der deutschen Arbeitnehmer machen 2024 nur noch das, was unbedingt nötig ist. Kein Engagement, kein Extra-Einsatz, kein Blick über den Tellerrand.

So zumindest das Ergebnis der neuen EY-Jobstudie, für die 2.000 Beschäftigte befragt wurden. Der Anteil der Hochmotivierten liegt bei nur noch 18 Prozent – ein dramatischer Einbruch gegenüber 42 Prozent im Jahr 2019.

Der Abwärtstrend ist eindeutig. Und gefährlich. Denn was in den Büros, Werkshallen und Homeoffices des Landes passiert, ist keine Laune – sondern ein strukturelles Problem mit Milliardenkosten.

Was kostet fehlende Motivation? Milliarden

„Die Unternehmen verlieren mit jedem demotivierten Mitarbeitenden nicht nur Effizienz – sie verbrennen bares Geld“, sagt Jan-Rainer Hinz, Arbeitsdirektor bei EY. Laut seiner Einschätzung geht durch das brachliegende Potenzial ein Milliardenbetrag an möglichem Umsatz verloren.

Mittel- und langfristig droht ein weiteres Problem: Wer innerlich gekündigt hat, ist wechselbereit. Der Fachkräftemangel wird damit zur tickenden Zeitbombe.

Dabei trifft es nicht nur einzelne Branchen. Die Unlust zieht sich quer durch die Republik – von der Logistik bis zur Sachbearbeitung, vom Callcenter bis zur Konzernzentrale. Nur eine Gruppe tanzt aus der Reihe.

Während 67 % der Manager sich selbst als hochmotiviert sehen, herrscht im Team oft Dienst-nach-Vorschrift-Stimmung. Eine fatale Selbstwahrnehmung mit Folgen für die Unternehmenskultur.

Ausgerechnet der Staat motiviert besser

Überraschend gut schneidet ausgerechnet der Öffentliche Dienst ab. Dort bezeichnet sich immerhin jeder vierte Beschäftigte als hochmotiviert – deutlich mehr als im privaten Sektor, wo der Anteil bei nur 17 Prozent liegt.

Für viele mag das angesichts von Bürokratie, Digitalisierungsstau und Personalmangel erstaunlich klingen. Doch es zeigt: Arbeitsbedingungen, Verlässlichkeit und Planbarkeit sind offenbar mehr wert als ein Kickertisch und Gratiskaffee.

Auch auffällig: Führungskräfte fühlen sich noch vergleichsweise motiviert – zwei von drei Managern gaben das in der Umfrage an. Doch ihr Blick auf das „untere“ Drittel ist oft ein anderer. Wer regelmäßig mit Burnout, Überstunden und Unterbesetzung kämpft, verliert zwangsläufig irgendwann den inneren Antrieb.

Motivationskrise made in Germany – hausgemacht und unterschätzt

Der Vertrauensverlust in Arbeitgeber und Arbeit als solche ist oft hausgemacht. Immer mehr Beschäftigte erleben fehlende Wertschätzung, schlechte Führung und das Gefühl, nur eine Nummer im System zu sein.

Hinzu kommt: Die Balance zwischen Arbeit und Leben ist in vielen Branchen längst aus der Spur geraten. Wer abends erschöpft auf dem Sofa liegt und trotzdem das Gefühl hat, nichts geschafft zu haben, verliert irgendwann den Sinn – und damit die Motivation.

Noch gravierender: Viele Unternehmen erkennen den Ernst der Lage nicht. Sie setzen auf Oberflächliches – Benefits, Events, Feelgood-Manager – statt auf strukturelle Veränderungen. Wer nur am Symptom arbeitet, wird die Ursache nie in den Griff bekommen.

Ein Weckruf, den viele noch überhören

Der Rückgang der Motivation ist mehr als ein Stimmungsbild – er ist ein wirtschaftlicher Risikofaktor. Wer ihn ignoriert, wird die Rechnung früher oder später bekommen: in Form steigender Fluktuation, sinkender Produktivität und einer Unternehmenskultur, die kein Talent mehr hält.

Dass ausgerechnet der Öffentliche Dienst heute besser dasteht als viele private Arbeitgeber, sollte in den Chefetagen als Denkzettel verstanden werden. Dort, wo früher über „Verwaltungsbeamte“ gespottet wurde, zeigt sich heute: Struktur, Stabilität und Sinn stiften offenbar mehr Motivation als Bonusprogramme und Tischtennisplatten.

Es ist Zeit, Arbeit wieder so zu gestalten, dass Menschen mehr tun wollen als „Dienst nach Vorschrift“. Sonst folgt auf die innere Kündigung bald auch die äußere. Und das kann sich Deutschland angesichts des demografischen Wandels schlicht nicht leisten.

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