07. August, 2025

Märkte

Industrie am Limit – Deutschlands Produktion fällt auf Corona-Tief zurück

Die deutsche Industrieproduktion ist im Juni überraschend stark eingebrochen – auf den tiefsten Stand seit Mai 2020. Besonders der Maschinenbau und die Pharmabranche schwächeln. Experten sehen keine Trendwende.

Industrie am Limit – Deutschlands Produktion fällt auf Corona-Tief zurück
Nach einem Einbruch von 1,9 % im Juni liegt das Produktionsniveau wieder auf dem Tiefpunkt der ersten Pandemiewelle – ein deutliches Signal für eine strukturelle Schwäche.

Einbruch statt Erholung

Deutschlands Industrieproduktion hat im Juni einen herben Rückschlag erlitten – und der ist nicht nur eine Momentaufnahme. Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts sank die Fertigung im Verarbeitenden Gewerbe gegenüber dem Vormonat um 1,9 Prozent.

Damit fällt der Index auf das Niveau zurück, das zuletzt im Mai 2020 – mitten im ersten Corona-Lockdown – erreicht wurde. Und das ausgerechnet in einer Phase, in der viele auf eine Erholung gehofft hatten.

Kein statistischer Ausreißer

Besonders bitter: Auch die Zahlen für Mai wurden stillschweigend nach unten korrigiert. Statt eines ursprünglich gemeldeten Plus von 1,2 Prozent blieb am Ende ein minimales Minus von 0,1 Prozent übrig.

Produktion im Juni 2025: -1,9 % zum Vormonat
Die reale (preisbereinigte) Produktion im Produzierenden Gewerbe ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Juni 2025 gegenüber Mai 2025 saison- und kalenderbereinigt um 1,9 % gesunken. Damit erreichte die Produktion im Produzierenden Gewerbe den niedrigsten Stand seit Mai 2020, als die Produktion infolge der Corona-Pandemie eingebrochen war. Im weniger volatilen Dreimonatsvergleich nahm die Produktion im 2. Quartal 2025 um 1,0 % ab und sank damit ebenfalls auf ein so niedriges Niveau wie zuletzt in der ersten Jahreshälfte 2020. Im Mai 2025 sank die Produktion gegenüber April 2025 nach Revision der vorläufigen Ergebnisse leicht um 0,1 % (vorläufiger Wert: +1,2 %). Die außergewöhnlich hohe Revision ist auf Korrekturmeldungen einiger Betriebe aus der Automobilindustrie zurückzuführen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat Juni 2024 war die Produktion im Juni 2025 kalenderbereinigt 3,6 % niedriger.

Die Behörde macht Korrekturmeldungen aus der Automobilindustrie verantwortlich – doch die Tendenz ist eindeutig. Die Industrieproduktion schrumpft. Und zwar nicht schleichend, sondern mit Tempo.

Pharma, Maschinenbau, Auto – die Säulen wackeln

Die Gründe für den Absturz sind breit gestreut, doch drei Branchen stechen negativ hervor. Die Pharmaproduktion ging im Juni um satte 11 Prozent zurück – ein alarmierender Wert für eine Branche, die einst als Stabilitätsanker galt.

Auch der Maschinenbau, lange das industrielle Rückgrat der Bundesrepublik, meldet ein Minus von 5,3 Prozent. Selbst die traditionell starke Autoindustrie zeigt Schwächen – nicht nur in der Produktion, sondern auch beim Auftragseingang.

Keine Impulse – kein Aufschwung

Das Bundeswirtschaftsministerium versucht, die Entwicklung mit „Gegenbewegungen zu Vorzieheffekten“ zu erklären – gemeint sind mögliche Lageraufstockungen im Vorfeld von Zollerhöhungen.

Doch das klingt eher wie eine rhetorische Notlösung als wie eine tragfähige Erklärung. Auch die Aussicht für das dritte Quartal sei „verhalten“, heißt es aus dem Ministerium. Ein nachhaltiger Aufschwung sei nicht in Sicht – das ist für eine Industrienation wie Deutschland ein hartes Eingeständnis.

US-Zölle zeigen Wirkung

Die Auswirkungen internationaler Handelspolitik – insbesondere der neuen US-Zölle – sind spürbar. Bereits im jüngsten Monatsbericht warnte die Bundesbank vor strukturellen Belastungen durch Trumps wirtschaftspolitischen Kurs.

Die Produktion in Schlüsselbranchen geht massiv zurück. Beobachter sprechen von einem gefährlichen Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Höhere Zölle auf deutsche Industrieprodukte verteuern den Export, senken die Nachfrage – und drücken in letzter Konsequenz auf die Produktionszahlen.

Investitionen bleiben aus

Hinzu kommt ein strukturelles Problem: Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen ist niedrig. Hohe Energiepreise, Bürokratie, Unsicherheit über Förderprogramme – die Liste der Bremsfaktoren ist lang.

Gleichzeitig fehlt es an neuen, großen Wachstumsimpulsen. Weder Digitalisierung noch Energiewende kommen in der Breite der Industrie ausreichend an, um die schwächelnde Konjunktur zu tragen.

Produktionswüste Deutschland?

Die Gefahr ist real: Sollte sich der Trend fortsetzen, droht Deutschland ein nachhaltiger Verlust an Industrieproduktion. Bereits heute klagen Mittelständler über sinkende Margen, Fachkräftemangel und eine insgesamt unattraktive Standortpolitik. Internationale Wettbewerber profitieren von günstigeren Rahmenbedingungen – und locken zunehmend auch deutsche Unternehmen ins Ausland.

Politik in Erklärungsnot

Für Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Friedrich Merz (CDU) ist der Produktionsrückgang ein deutliches Alarmsignal. Während Habeck auf strukturelle Reformen und Dekarbonisierung setzt, fordert Merz ein „Sofortprogramm Wirtschaft“. Doch die Kluft zwischen politischer Rhetorik und betrieblicher Realität scheint größer denn je.

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