08. Mai, 2025

Global

Grenze am Abgrund – Indien und Pakistan taumeln Richtung Krieg

Nach Luftangriffen, Drohnenabschüssen und Dutzenden Toten steht Südasien vor einer Eskalation, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gab. Nun ruft ausgerechnet China zur Besonnenheit auf. Die Welt schaut besorgt auf Kaschmir – und schweigt verdächtig laut.

Grenze am Abgrund – Indien und Pakistan taumeln Richtung Krieg
Mit der Operation „Sindoor“ greift Indien erstmals seit 2019 wieder offiziell Ziele in Pakistan an. Damals führte ein ähnlicher Vorfall fast zum offenen Krieg.

Ein Angriff, der alles veränderte

26 Tote, viele von ihnen Zivilisten – darunter indische Touristen auf dem Weg zu einem Tempel. Ein gezielter Terroranschlag im indisch kontrollierten Kaschmirteil bringt ein historisch belastetes Pulverfass erneut zum Glühen.

Kaschmir: Die Wurzeln des Konflikts - Die ganze Doku | ARTE
Eine Region, drei Länder und ein fast 80 Jahre alter immer wieder aufflammender Konflikt: Nach einem Anschlag mit 26 Toten im indischen Teil Kaschmirs am 22. April 2025 ist die Region in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Worum geht es bei dem Konflikt?

Nur Stunden später folgten Luftschläge, dann Gegenschläge, dann erste Berichte über abgeschossene Jets. Und plötzlich fragen sich Diplomaten in Washington, Peking, Brüssel: Steuern wir auf einen neuen Krieg zwischen zwei Atommächten zu?

Die offizielle Antwort aus Neu-Delhi: Indien habe "terroristische Infrastruktur" im pakistanischen Teil Kaschmirs und im Landesinneren getroffen – im Rahmen der Militäroperation „Sindoor“.

Islamabad spricht hingegen von einem Massaker an Zivilisten: 26 Tote, 46 Verletzte. Die Wahrheit liegt, wie so oft in diesem Teil der Welt, irgendwo im Nebel der Rhetorik und der Berge.

Kaschmir – ein Konflikt mit ewigem Verfallsdatum

Kaschmir ist kein neuer Krisenherd. Es ist der vermutlich älteste ungelöste Territorialkonflikt des 20. Jahrhunderts – und längst der gefährlichste des 21. Jahrhunderts. Seit 1947 streiten Indien und Pakistan über das Gebiet im Himalaya.

Drei Kriege wurden bereits darum geführt. Es gibt keine klaren Grenzen, aber jede Menge Ansprüche. Und vor allem: jede Menge Waffen.

Dass China nun zur Mäßigung ruft, hat mehr als Symbolwert. Denn Peking ist nicht neutral. Teile des östlichen Kaschmir stehen unter chinesischer Kontrolle, und mit Pakistan pflegt die Volksrepublik eine "Allwetterfreundschaft", militärisch wie wirtschaftlich. Doch ein offener Krieg auf dem Subkontinent – mit potenzieller atomarer Komponente – wäre auch für Peking ein Albtraum.

Peking kontrolliert Teile des östlichen Kaschmir und gilt als stiller Verbündeter Pakistans. Der Appell zur Mäßigung ist daher politisch doppeldeutig.

Peking mahnt – aber was steckt dahinter?

Die Sprecherin der chinesischen Botschaft in Neu-Delhi formulierte es vorsichtig, aber unmissverständlich: Man appelliere an beide Seiten, "im Interesse von Frieden und Stabilität" zu handeln.

Worum es im Kaschmir-Konflikt zwischen Indien und Pakistan geht
Die Lage in Kaschmir hat sich weiter zugespitzt. Am Kaschmir-Konflikt entzündeten sich immer wieder Kriege zwischen den Atommächten Indien und Pakistan.

Terrorismus verurteile man ebenso wie militärische Eskalation. Und doch steht zwischen den Zeilen: Indien ist gemeint. Peking kritisiert explizit die indischen Luftangriffe – nicht aber den Terroranschlag, der diesen vorausging.

Das ist nicht neu. Schon in früheren Kaschmir-Krisen nahm China eine Position ein, die oft mit Pakistans Sichtweise harmonierte. Dass ausgerechnet jetzt von dort der Appell zur Deeskalation kommt, zeigt, wie groß die Nervosität ist – nicht nur in Islamabad, sondern auch in Peking.

Pakistans Armee zögert – noch

Derweil wartet die Welt auf eine Entscheidung aus Rawalpindi. Dort sitzt General Syed Asim Munir, der starke Mann der pakistanischen Armee – und de facto derjenige, der in außenpolitischen Krisen das letzte Wort hat.

Premierminister? Parlamentsdebatten? Verfassung? Spielt alles keine Rolle, wenn der Generalstab spricht.

Bislang hält sich Munir bedeckt. Doch die Tonlage ist eindeutig: Pakistan habe fünf indische Jets und eine Drohne abgeschossen – eine Behauptung, die Indien bisher nicht bestätigt hat.

Gleichzeitig meldet Indien sieben zivile Tote durch pakistanischen Beschuss. Der Austausch von Schuldzuweisungen läuft auf Hochtouren. Nur die Diplomatie hinkt hinterher.

Und der Westen? Schweigt – oder laviert

UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den ursprünglichen Terroranschlag, warnte vor einer „unkontrollierbaren militärischen Konfrontation“.

Doch mehr kommt nicht. Aus Berlin: Schweigen. Aus Paris: diplomatische Floskeln. Aus Washington: „Wir beobachten die Lage mit Sorge.“ Es ist eine Formel, die oft fällt – und meistens nichts ändert.

Dabei wäre genau jetzt der Moment, den beiden Atommächten rote Linien aufzuzeigen. Der letzte große Kaschmir-Zwischenfall 2019 wurde erst durch US-Vermittlung eingedämmt. Heute wirkt das geopolitische Interesse gedämpft – zu sehr ist der Westen mit sich selbst beschäftigt, sei es mit Trump, Taiwan oder dem Gazastreifen.

Eine Eskalation mit globalem Sprengstoff

Was viele übersehen: Ein Krieg zwischen Indien und Pakistan wäre kein regionaler Konflikt. Indien ist mit 1,4 Milliarden Menschen die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt, Pakistan ist nuklear bewaffnet, instabil und von inneren Machtkämpfen zerrissen.

Der UN-Sicherheitsrat ist blockiert, und Chinas Position bleibt ambivalent. Der ideale Nährboden für einen unkontrollierten Flächenbrand.

Die Gefahr ist real. Und sie wächst mit jeder Stunde, in der beide Seiten an ihrer jeweiligen Wahrheit festhalten – und niemand sie an den Tisch zwingt.

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