Die Börse blickt nach vorn – und sie blickt auf den Konsumenten. Genau dort setzt die Steuerpolitik von Donald Trump an. Entgegen der verbreiteten Annahme profitieren nicht nur hohe Einkommen von den Maßnahmen, sondern breite Bevölkerungsschichten. Das macht den Unterschied für 2026 – und erklärt, warum viele Vermögensverwalter für die Wall Street optimistischer werden.
Steuererleichterungen erreichen die Mitte
Ab 2026 werden Trinkgelder steuerfrei gestellt. Für Millionen Beschäftigte im Gastgewerbe ist das kein symbolischer Schritt, sondern bares Geld. Hinzu kommt die Steuerfreiheit für Überstunden, die Mehrarbeit attraktiver macht – ein nicht zu unterschätzender Faktor in einem Arbeitsmarkt mit strukturellem Fachkräftemangel.

Auch Rentner werden entlastet. Niedrigere Steuern auf Sozialversicherungsleistungen erhöhen die Nettoeinkommen der Babyboomer, von denen jedes Jahr mehr als eine Million in den Ruhestand wechseln. Ergänzt wird das Paket durch die Verdopplung des sogenannten SALT-Abzugs auf 20.000 Dollar, der staatliche und lokale Steuern betrifft – besonders relevant für Haushalte in Hochsteuerstaaten.
Spürbar mehr Kaufkraft
Die Effekte summieren sich. Ohne Steuererleichterungen würde das nominale verfügbare Einkommen 2026 um rund vier Prozent wachsen. Mit den neuen Maßnahmen werden etwa zehn Prozent erwartet. Real, also inflationsbereinigt, dürfte das verfügbare Einkommen um rund acht Prozent steigen.
Das ist die Grundlage für höheren Konsum – und damit für steigende Unternehmensumsätze. Für die Wall Street ist das entscheidend, denn der private Verbrauch macht rund zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung aus.
Ölpreis und Zinsen spielen mit
Zusätzlichen Rückenwind liefert der Energiemarkt. Der Ölpreis der Sorte WTI ist binnen eines Jahres um rund 18 Prozent gefallen. Für amerikanische Haushalte bedeutet das niedrigere Kosten an der Zapfsäule – ein unmittelbarer Kaufkraftgewinn.
Parallel dazu hat die Federal Reserve ihre Geldpolitik gelockert. 2025 gab es bereits drei Zinssenkungen. Ab Mitte 2026, wenn die Amtszeit von Jerome Powell endet, rechnen viele Beobachter mit weiteren Schritten. Als mögliche Nachfolger gelten Kevin A. Hassett und Christopher J. Waller – beide stehen für wachstumsfreundlichere Zinsen.
Niedrigere Zinsen senken die Finanzierungskosten für Unternehmen und machen Kredite sowie Hypotheken günstiger. Das stimuliert Investitionen und belebt den Immobilienmarkt.
Wachstum ohne Inflationsschub
Die gängige Sorge, dass stärkeres Wachstum automatisch Inflation bedeutet, greift zu kurz. Historisch zeigt sich oft das Gegenteil: Steigende Produktivität wirkt preisdämpfend. Neue Technologien wie künstliche Intelligenz, Blockchain oder Energiespeicherung erhöhen die Effizienz und senken Kosten.
Die Produktivität wächst derzeit mit etwa zwei Prozent pro Jahr. Für 2026 werden vier bis fünf Prozent für möglich gehalten. Das wäre ein struktureller Sprung – mit klar deflationärer Wirkung.

Liquidität kehrt zurück
Auch von der Zentralbankseite kommt Unterstützung. Die Fed hat ihre quantitative Straffung beendet. Statt Liquidität abzuziehen, fließen dem Finanzsystem nun monatlich wieder 30 bis 35 Milliarden Dollar zu.
Hinzu kommt die erwartete Auflösung des Treasury General Account, in dem sich während des Regierungsstillstands rund 350 Milliarden Dollar angesammelt hatten. Dieses Geld dürfte schrittweise in den Markt zurückkehren – ein kräftiger Liquiditätsschub für Finanzmärkte.
Investitionen ziehen an
Die Kapitalausgaben der Unternehmen haben bereits gedreht und beschleunigen sich. Ein zentraler Treiber bleibt KI, doch auch jenseits von Rechenzentren nehmen Investitionen zu. Niedrige effektive Unternehmenssteuern – mit rund zehn Prozent die niedrigsten in der entwickelten Welt – erhöhen die Attraktivität des Standorts USA zusätzlich.
Kapitalausgaben gelten als einer der stärksten Multiplikatoren der Wirtschaft. Sie schaffen Nachfrage, Produktivitätsgewinne und langfristiges Wachstum.
Immobilien als mögliche Überraschung
Der bislang schwache US-Wohnungsmarkt könnte 2026 positiv überraschen. Hypothekenzinsen sind bereits um rund 80 Basispunkte gefallen. Gleichzeitig sind die Lagerbestände an Neubauten hoch, was Preissenkungen wahrscheinlicher macht.
Da Wohnkosten rund 40 Prozent des Verbraucherpreisindex ausmachen, hätte eine Entspannung am Immobilienmarkt erhebliche Auswirkungen auf die Inflation – und damit weiteren Spielraum für die Geldpolitik.
Rückenwind auch von außen
Schließlich wirkt der globale Kontext unterstützend. Chinas hoher Handelsüberschuss gilt als Zeichen schwacher Binnennachfrage und exportierter Deflation. Diese preisdämpfenden Effekte erreichen auch die USA und erhöhen die reale Kaufkraft der Verbraucher.
Die Börse blickt nach vorn
Die Kombination aus Steuerentlastungen, sinkenden Zinsen, mehr Liquidität und höherer Produktivität schafft ein Umfeld, das historisch günstig für Aktien ist. Die Wall Street reagiert darauf früh – lange bevor die Effekte vollständig in den Konjunkturdaten sichtbar werden.
Die Aussichten für die US-Verbraucher – und damit für die Börse – sind 2026 deutlich besser, als es der öffentliche Diskurs oft vermuten lässt.



