Die Revolution auf Schienen beginnt in der Chefetage
Evelyn Palla ist keine, die lange fackelt. Zwei Wochen nach ihrem Amtsantritt verkündet die neue Bahnchefin den wohl tiefgreifendsten Umbau seit Jahren. „Wir drehen den Konzern auf links“, sagt sie – ein Satz, der in der Berliner Konzernzentrale wie ein Paukenschlag wirken dürfte. Der gesamte Apparat soll auf Effizienz, Kundennähe und Eigenverantwortung getrimmt werden. „Ich überprüfe jeden Job auf den Mehrwert für unsere Kunden. Die Verwaltung muss dem Eisenbahner dienen“, erklärt Palla.
Damit will sie Schluss machen mit dem, was viele Bahnmitarbeiter seit Jahren frustriert: Entscheidungen, die in den oberen Etagen gefällt werden, während unten auf den Gleisen das Chaos herrscht. In Zukunft, so Palla, sollen „die Macher vor Ort zu den Entscheidern“ werden. Ein klarer Angriff auf die Bürokratie, die den Konzern seit Jahren lähmt.
Weniger Berlin, mehr Bahnhof – Macht für die Regionen
Die Zeiten, in denen alles in der Hauptstadt entschieden wurde, sollen vorbei sein. Palla will Macht dorthin verlagern, wo sie tatsächlich gebraucht wird – zu den Bahnhöfen, Depots und Streckenleitstellen im ganzen Land. Entscheidungen sollen „dort getroffen werden, wo die Verantwortung liegt – und nicht drei Etagen höher“. Das ist ein Bruch mit der bisherigen Struktur der Deutschen Bahn, die oft als schwerfällig und zentralistisch kritisiert wurde.
In den Regionen kennt man die Probleme – und Lösungen – meist besser als in den Konferenzräumen am Potsdamer Platz. Mit diesem Schritt könnte Palla den Mitarbeitenden an der Basis neues Vertrauen schenken. Denn wer täglich mit den Herausforderungen des Betriebs konfrontiert ist, weiß oft besser, was funktioniert – und was nicht.
Sauberkeit, Komfort, digitale Transparenz
Palla weiß, dass das Vertrauen der Fahrgäste nicht in Vorstandsbüros gewonnen wird, sondern auf Bahnsteigen und in Zügen. Ihre Prioritätenliste ist klar: „Unsere Züge und Bahnhöfe sind unsere Visitenkarte.“ Mehr Sauberkeit, mehr Komfort, einladendere Bahnhöfe – das sind Versprechen, die Reisende seit Jahren hören, aber zu selten erleben. Doch Palla will liefern.
Besonders bei der Digitalisierung will sie spürbare Fortschritte. Ein neuer digitaler „Baustellen-Melder“ soll Reisenden künftig helfen, ihre Route präziser zu planen. „Ich werde dafür sorgen, dass Baustellen besser als bisher im DB Navigator integriert sind“, sagt sie. Klingt banal, könnte aber die tägliche Reiseplanung für Millionen deutlich erleichtern – und wäre ein kleiner Schritt Richtung Alltagstauglichkeit eines Konzerns, der oft an sich selbst scheitert.
Ein Konzern im Stresstest – und eine Chefin mit Mut
Evelyn Palla übernimmt die Deutsche Bahn in einer schwierigen Phase: Verspätungen, Sanierungsstau, ein ramponiertes Image. Ihr radikaler Ansatz erinnert an einen Befreiungsschlag – weg vom Verwaltungsriesen, hin zu einem modernen Mobilitätsunternehmen.
Doch ihre Ankündigungen sind mehr als bloße PR-Rhetorik. Palla, die zuvor im Bahnvorstand den Personenverkehr leitete, gilt als entschlossene Modernisiererin mit Bodenhaftung. Ihre Erfahrung aus der Praxis könnte den entscheidenden Unterschied machen – vorausgesetzt, sie bekommt Rückhalt für ihren Kurs.
Der Umbau wird Widerstände hervorrufen, vor allem in den oberen Etagen. Aber genau dort, sagt Palla, müsse jetzt Bewegung rein. Die Bahn sei zu wichtig für Deutschland, um weiter im Verwaltungsstillstand zu verharren.
Aufbruch mit offenem Ausgang
Pallas Plan ist ambitioniert – und riskant. Der Umbau eines Staatskonzerns, der jahrelang im Reformstau steckte, ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Doch der Ton ist gesetzt: Die Bahn soll wieder das werden, was sie einmal war – ein Symbol für Verlässlichkeit, Fortschritt und Mobilität.
Ob Palla diesen Kurs durchhält, wird sich zeigen. Aber eins steht fest: Die Deutsche Bahn hat seit Langem keine Chefin gehabt, die so klar sagt, was sie vorhat – und den Mut zeigt, es wirklich anders zu machen.
