11. August, 2025

Totgesuchte Stellenanzeigen

Monster.de wird abgewickelt, obwohl es noch zahlungsfähig ist – der Fall der einst größten Jobplattform Europas zeigt, wie rücksichtslos globale Insolvenzstrategien nationale Standorte zerschlagen.

Totgesuchte Stellenanzeigen
Die deutsche Tochter von Monster ist liquide, aber handlungsunfähig. Ohne Nutzungsrechte an Name und Plattform bleibt ihr nur der Weg in die Abwicklung.

Als Monster.de am 30. Juli 2025 plötzlich offline ging, war das kein technischer Defekt. Es war das stille Ende einer Plattform, die einst das digitale Jobmatching revolutioniert hatte. Statt eines Karriereportals erwartete die Nutzer nur noch ein Schraubenschlüssel-Icon und der lapidare Hinweis:

„Die Site ist derzeit nicht verfügbar.“

Der neue Eigentümer hatte kurzerhand den Stecker gezogen – ohne Vorwarnung, ohne Übergangsphase, ohne Plan für Europa.

Abgewickelt trotz Liquidität

Dabei war Monster.de keineswegs pleite. Im Gegenteil: Laut internen Quellen war die deutsche Tochtergesellschaft zahlungsfähig, Gehaltszahlungen liefen weiter, das Bankkonto war gut gefüllt. Trotzdem steht jetzt alles still.

Der Grund: Die Konzernmutter Monster Worldwide Inc. hatte in den USA Chapter-11-Insolvenz beantragt und ihre verwertbaren Markenrechte im Juli für 27 Millionen Dollar an das Karriereportal Bold verkauft – ein Asset-Deal, der die europäischen Ableger schlicht ausklammerte.

Ein Insolvenzplan ohne Europa

Für den deutschen Markt hat sich im ganzen Verfahren offenbar niemand interessiert. Weder Monster Worldwide noch Bold wollten Verantwortung für die Zukunft von Monster.de übernehmen.

„Wir wurden nicht einmal informiert, wann die Seite abgeschaltet wird“, sagt Matteo Nicolo, seit 17 Jahren Vertriebsdirektor für Europa. Er fand es durch Zufall heraus. Was folgt, ist ein exemplarisches Lehrstück für die Entkoppelung globaler Konzernentscheidungen von lokalen Realitäten.

Nach der Fusion mit CareerBuilder sammelte Monster 393 Mio. Dollar Schulden – ein Aufbruch, der im Kollaps endete. Von Optimismus blieb nur ein Stellenabbau in drei Etappen.

Weniger Umsatz, mehr Wucht

Monster.de war einmal ein Pionier. In den 2000er Jahren war das Portal fester Bestandteil jeder Jobsuche. Doch in den letzten Jahren verlor das Unternehmen Marktanteile an agilere Wettbewerber wie Indeed, Glassdoor oder LinkedIn.

Der Umsatz in Deutschland schrumpfte laut internen Prognosen von 26 Millionen Euro (2022) auf erwartete 9 Millionen im Jahr 2024. Trotzdem: Die Marke war etabliert, das Team erfahren, das Konto gedeckt.

Rücksichtslos abgewickelt

Bold, der neue Eigentümer, interessiert sich derweil nur für die Marke, nicht für den Standort. Statt Monster.de weiterzuführen, lenkt die Seite jetzt auf einen Lebenslauf-Generator der Firma LiveCareer um.

Die etwa 35 Mitarbeiter in Deutschland dürfen zwar noch ihre Büros betreten, aber faktisch haben sie nichts mehr zu tun. Ohne Lizenz für die Marke ist kein Betrieb mehr möglich. Ein Berater prüft laut Informationen der IW, wie die Gesellschaft abgewickelt werden könnte – obwohl sie rein wirtschaftlich überlebensfähig wäre.

Ein Mahnmal für Standortrisiken

Die Geschichte von Monster.de ist ein Musterbeispiel dafür, wie international aufgesetzte Insolvenzverfahren lokal Existenzen vernichten. Was in den USA als betriebswirtschaftlich sinnvolle Sanierung erscheint, wirkt in Deutschland wie eine Entsorgung funktionierender Strukturen.

Der Fall zeigt: Solange europäische Ableger nur als „Assets ohne Wert“ betrachtet werden, können auch gesunde Unternehmen von heute auf morgen abgeschaltet werden. Völlig legal, aber zutiefst ungerecht.

Das könnte Sie auch interessieren:

Rivian enttäuscht erneut – warum der Tesla-Rivale weiter strauchelt
Mit einem höheren Umsatz, aber einem tieferen Verlust als erwartet, kämpft Rivian gegen steigende Erwartungen und sinkendes Vertrauen. Die Aktie gibt erneut nach – und der Druck auf das Management wächst.