Die Warnung kommt nicht von außen, sondern aus den Werkshallen selbst: Deutsche Industrieunternehmen attestieren sich einen historisch schlechten Zustand. Laut einer aktuellen Erhebung des Ifo-Instituts geben mehr als ein Drittel der Betriebe an, gegenüber Anbietern außerhalb der EU deutlich an Wettbewerbsfähigkeit verloren zu haben. Innerhalb des europäischen Markts sieht die Situation kaum besser aus. Der Standort Deutschland droht, mitten im globalen Wettbewerb langsamer zu werden – und niemand steht auf der Bremse.

Noch vor wenigen Jahren galt „Made in Germany“ als Garant für Präzision und Zuverlässigkeit. Heute sprechen selbst Branchenvorstände hinter vorgehaltener Hand davon, dass Deutschland zu einem Risiko geworden ist: Energiepreise auf Rekordhöhe, ein Verwaltungsapparat, der Unternehmen ausbremst statt unterstützt, und politische Reformversprechen, die seit Jahren liegen bleiben. Die Folge spiegelt sich in den Zahlen: Während im Sommer noch rund ein Viertel der Firmen einen Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit meldete, sind es jetzt über 36 Prozent. Ein bitterer Rekord.
Die Verzerrung zeigt sich besonders in den energieintensiven Branchen. Chemiekonzerne berichten, dass mehr als jedes zweite Unternehmen nicht mehr mit internationalen Wettbewerbern mithalten kann. Auch Hersteller von Elektronik und Maschinenbau – eigentlich Zugpferde der deutschen Exportindustrie – melden dramatische Einbrüche. Produktionen, die jahrzehntelang im Rheinland, in Baden-Württemberg oder in Sachsen liefen, wandern nach Osteuropa oder direkt in die USA ab. Nicht, weil dort besser produziert wird, sondern weil dort schneller entschieden wird.

Im Kern geht es um ein strukturelles Problem: Entscheidungen in Deutschland dauern zu lange. Während andere Länder binnen Monaten neue Industriecluster aufbauen, verlieren deutsche Unternehmen Jahre mit Genehmigungen, Klageverfahren und Abstimmungsrunden. In einem globalen Wettbewerb ist Zeit kein Nebenfaktor, sondern Kapital.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) spricht in einer Grundsatzrede von einer „Agenda 2030“. Damit meint sie ein Programm, das die Wettbewerbsfähigkeit zurückbringen soll – weniger Bürokratie, flexiblere Arbeitsmärkte, niedrigere Strompreise. Ob es dazu kommt, ist offen. Unternehmen drängen auf Tempo. Politik liefert bislang nur Ankündigungen.
Was Deutschland fehlt, ist Entschlossenheit: die Fähigkeit, nicht nur über Reformen zu sprechen, sondern sie umzusetzen. Wer heute in der Industrie investiert, braucht Planbarkeit. Was er bekommt, sind politische Verhandlungsschleifen und Verordnungen ohne Wirkung. Es geht längst nicht nur um Kosten, sondern um Haltung: Deutschland muss wieder den Willen entwickeln, gewinnen zu wollen – statt nur Schäden zu begrenzen.
Das Zeitfenster dafür schließt sich. Die Industrie hat es erkannt. Die Frage ist, ob die Politik mithält.



