Der große Rückzug
Keine zwei Jahre ist es her, da inszenierte Porsche Cellforce als Technologieoffensive „made in Germany“. Hochleistungszellen für den Motorsport, unterstützt von BASF und Group14, gefördert mit rund 60 Millionen Euro Steuergeld und getragen von der Hoffnung, sich im Zukunftsfeld Batterieproduktion unabhängig zu machen.
Heute klingt das wie ein Kapitel aus einem alten Strategiepapier. Denn jetzt ist klar: Cellforce wird weitgehend abgewickelt. Von den 286 Mitarbeitenden am Standort Kirchentellinsfurt sollen laut Arbeitsagentur Reutlingen rund 200 gehen – das entspricht über zwei Dritteln der Belegschaft. Porsche selbst schweigt bislang.
Die Streichung kommt nicht aus heiterem Himmel. Bereits im April hatte Porsche intern kommuniziert, sich vom Ziel der eigenständigen Zellfertigung zu verabschieden.
Doch das Ausmaß des Rückzugs überrascht. Eine kleine Entwicklungseinheit soll offenbar bestehen bleiben – ob für Eigenbedarf oder als Trostpflaster, bleibt offen.
Milliarden-Idee ohne Serie
Cellforce war nicht irgendein Forschungsprojekt. Als Porsche die Anteile von Partner Customcells übernahm, war das Signal klar: Es geht ums Ganze. Bis zu 1.000 Fahrzeuge jährlich sollten mit Hochleistungszellen beliefert werden.
Investiert wurde in der Konzernfamilie entsprechend großzügig. Neben Eigenmitteln flossen Abschreibungen von rund 295 Millionen Euro in das Projekt – allein 2024. Insgesamt weist der Konzern Sonderaufwendungen von 1,3 Milliarden Euro aus, in denen Cellforce eine tragende Rolle spielt.

Trotzdem hat es nie eine serienreife Batterie aus dem Werk geschafft. Was zurückbleibt, ist ein Vakuum – technologisch, finanziell und strategisch. Und die Frage: War das Ganze mehr Vision als Planung?
Fördermittel im Feuer
Besonders heikel: Der Staat war mit an Bord. Mehr als 57 Millionen Euro Fördermittel sollen nach Medienberichten in das Vorhaben geflossen sein. Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg prüft nun, ob diese zurückgefordert werden müssen.
Denn laut Förderrichtlinie ist eine Zweckbindung an bestimmte Produktionsziele üblich. Fällt das Projekt, könnten die Fördergelder ganz oder teilweise zurück an die öffentliche Hand gehen – auf Kosten von Porsche.
Das Problem dabei: Rückforderungen in dieser Größenordnung sind nicht nur buchhalterisch relevant. Sie belasten die Reputation – und damit auch zukünftige Förderbeziehungen. Wer sich einmal verspekuliert, dem traut man beim nächsten Mal weniger zu.
Finanzielle Vernunft oder strategischer Kurzschluss?
Analysten sehen den Schritt ambivalent. Auf der einen Seite entlastet der Ausstieg kurzfristig: weniger Kapitalbedarf, niedrigere Anlaufrisiken, besserer Cashflow. In Zeiten schwächelnder Absatzmärkte und sinkender Margen kann das sinnvoll sein. Auf der anderen Seite verliert Porsche technologische Eigenständigkeit – und damit auch die Möglichkeit, sich in einem Schlüsselbereich vom Wettbewerb abzusetzen.
Hinzu kommt: Die Abhängigkeit von Zellzulieferern – etwa CATL, LG oder Panasonic – wächst. Und die geben inzwischen die Preise vor. Für einen Premiumhersteller mit Anspruch auf Differenzierung ist das ein Dilemma. Cellforce war mehr als ein Forschungsprojekt. Es war Teil des Markenversprechens.
Leiser Abschied mit lautem Echo
Die Börse reagiert nüchtern: Die Aktie verlor nach Bekanntwerden der Streichungen rund 1,2 Prozent. Das deutet darauf hin, dass viele den Kurswechsel bereits eingepreist hatten. Trotzdem sendet der Schritt ein deutliches Signal: Porsche räumt auf – notgedrungen.
Der Konzern muss sparen, nachdem Gewinne zuletzt rückläufig waren. Doch die Stilllegung eines Vorzeigeprojekts ist keine gewöhnliche Konsolidierung. Es ist das Eingeständnis, dass man sich in einem entscheidenden Feld übernommen hat.
Die Zukunft der Elektromobilität wird nicht in Kirchentellinsfurt gebaut. Zumindest nicht von Porsche.
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