YouTube-Auftritt mit Professorentitel
Die Inszenierung ist sorgfältig gewählt: Professorin, Aufsichtsrätin, Finanzexpertin. Karina Lergenmüller präsentierte sich auf YouTube monatelang als seriöse Ratgeberin für Privatanleger.
Ihre Videos zu „Chancenaktien“ fanden schnell ein wachsendes Publikum: 13.000 Abonnenten, fünfstellige Klickraten. Wer noch mehr wollte, konnte für mehrere tausend Euro in persönliche Coachings einsteigen.
Versprochen wurde viel: Einzelcoachings, individuelle Strategien, Wege zur finanziellen Freiheit. Wer ihre Dienste buchte, erhielt Anlageempfehlungen – häufig Nebenwerte, darunter exotische Titel aus der zweiten und dritten Börsenreihe.
@karina.lergenmueller
Das Coaching-Geschäft – Verträge für tausende Euro
Für Kunden wie Barbara K. wurde das teure Coaching schnell zum Problem. Nach einem Erstgespräch folgte ein Zoom-Call, am Ende stand ein Vertrag über 8500 Euro. Ein Widerruf? Kaum möglich.
Die Verträge wurden als B2B-Verträge deklariert – ein juristischer Kniff, um Verbraucherschutzrechte auszuhebeln. Erst nach zähen Verhandlungen konnten einige Kunden überhaupt noch auf reduzierte Paketpreise umsteigen.
Die Vermittlung von Small- und Mid Caps gehörte zum Kern des Coaching-Konzepts. Empfohlene Aktien: unter anderem Endava, Stem, Autostore, Mutares und Mutares. Einige dieser Titel entwickelten sich schlecht – Stem verlor innerhalb von fünf Jahren über 90 Prozent seines Wertes.
Das Netzwerk im Hintergrund
Hinter dem Coaching-Modell steht jedoch kein Einzeltäter. Vertragspartner der Coaching-Kunden ist offiziell die Stüfe Invest GmbH – geführt von Nikolas Stüfe, dem Sohn Lergenmüllers.
Ihr früherer Ehemann, Mathias Stüfe, betreibt parallel die Heidelberger Vermögensverwaltung Stüfe & Partner. Auffällig: Mehrere Aktienempfehlungen von Lergenmüller überschneiden sich mit Titeln, die auch im Umfeld ihres Exmannes regelmäßig besprochen wurden.

Mathias Stüfe wiederum pflegt Verbindungen zur Beteiligungsgesellschaft Deutsche Balaton, in deren Portfolio viele jener Small Caps auftauchen, die später über Lergenmüllers Kanäle promotet wurden. Lergenmüller selbst hält Aufsichtsratsmandate in verschiedenen Balaton-Beteiligungen.
Bootstouren, Nebenwerte und Insiderkontakte
Stüfe & Partner organisiert jährlich Netzwerkveranstaltungen auf dem Neckar, bei denen Vorstände ausgewählter Unternehmen auf Anleger treffen – darunter Vertreter von Multitude, Mutares, XTPL und The Platform Group. Mehrfach interviewte Lergenmüller Gäste dieser Bootstouren für ihren YouTube-Kanal.
Ein bemerkenswerter Fall: Skeena Resources. Das kanadische Rohstoffunternehmen wurde von Lergenmüller öffentlich empfohlen, kurz nachdem Balaton dort investiert war.
Die Performance: zeitweise 300 Prozent Plus. Ob dies reiner Zufall war, bleibt umstritten. Lergenmüller selbst betont, sie habe Skeena unabhängig entdeckt.
Professioneller Anschein, riskante Empfehlungen
Trotz des professionellen Auftritts bleibt die Anlagestrategie hochspekulativ. Small Caps und Mid Caps gelten als notorisch volatil. Wer mit Nebenwerten handelt, braucht Risikobewusstsein und breite Diversifikation – keine Versprechen auf sichere finanzielle Freiheit.
Die Mischung aus Familienunternehmen, Coaching-Angeboten, Nebenwert-Promotion und hoher Gebührenstruktur wirft Fragen auf. Zwar weisen alle Beteiligten Interessenskonflikte weit von sich.
Doch die Parallelen zwischen familiären Geschäftsinteressen und den Aktientipps der Professorin sind unübersehbar.
YouTube-Kanal abgeschaltet
Mittlerweile sind sämtliche Videos von Lergenmüllers YouTube-Kanal verschwunden. Die offizielle Begründung: technische Überarbeitung. Offen bleibt, ob die öffentliche Kritik und erste juristische Auseinandersetzungen Druck aufgebaut haben.
Finfluencer im Graubereich
Der Fall Lergenmüller steht exemplarisch für die Grauzonen einer wachsenden Finfluencer-Szene. Titel, akademischer Hintergrund und professionelle Außenwirkung schaffen Vertrauen – das Geschäftsmodell dahinter bleibt aber oft undurchsichtig. Und für unerfahrene Anleger können riskante Empfehlungen mit hohen Gebühren schnell teuer werden.
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