Ein blinder Fleck in vielen Depots
Die Dividende kommt – aber nicht vollständig. Was viele Aktionäre unterschätzen: Bei ausländischen Aktien greift oft zuerst der Fiskus des Quellenlandes zu, bevor das deutsche Finanzamt kassiert.
Ergebnis: Von der ausgeschütteten Dividende bleibt oft deutlich weniger übrig als gedacht. Was kaum jemand weiß: Ein Teil dieser Quellensteuer lässt sich zurückholen.
Doch kaum jemand macht es. Der Aufwand ist enorm, die Verfahren oft intransparent. Manche Banken helfen – andere verlangen hohe Gebühren. Und während viele Anleger über Steuern jammern, lassen sie genau hier bares Geld liegen.
Starke Dividenden – mit eingebautem Steuerabzug
Ein Blick auf die sechs ausgewählten Top-Dividendenaktien zeigt: Die Erträge sind verlässlich, die Historien beeindruckend – aber steuerlich sind die Titel höchst unterschiedlich.
- PepsiCo zahlt seit 54 Jahren steigende Dividenden – aktuell 4,4 % Rendite. Dank US-Doppelbesteuerungsabkommen bleibt es für deutsche Anleger bei 15 % Quellensteuer. Voraussetzung: Die Bank ist beim „QI Agreement“ dabei – oder der Anleger reicht korrekt das W-8BEN-Formular ein.
- Chevron punktet mit 4,5 % Dividendenrendite und einem 75-Milliarden-Dollar-Aktienrückkaufprogramm. Auch hier: Quellensteuer technisch gut gelöst – aber Rückforderung bei fehlerhafter Anrechnung ist kompliziert und fristgebunden (1 Jahr).
- Sanofi bietet fast 5 % Rendite und wird von Analysten klar zum Kauf empfohlen. Doch Frankreich erhebt 25 % Quellensteuer. Die Rückerstattung der 10 % Differenz ist ein bürokratischer Hindernisparcours mit teuren Gebühren – bis zu 125 Euro pro Erstattung.
- BAT lockt mit stolzen 6,6 % Dividendenrendite – steuerlich einfach: Großbritannien erhebt keine Quellensteuer. Ein seltener Ausnahmefall.
- Nestlé zahlt jährlich steigende Dividenden seit 29 Jahren. In der Schweiz liegt die Quellensteuer bei 35 % – davon lassen sich 20 % zurückholen. Das Verfahren ist aufwendig, aber fair strukturiert. Durchschnittliche Erstattungszeit: zwei bis drei Monate.
- Novo Nordisk ist ein Sonderfall: Die Dividendenrendite liegt mit 2,5 % vergleichsweise niedrig, wächst dafür aber extrem dynamisch – im Schnitt um über 23 % pro Jahr. Die dänische Quellensteuer von 27 % lässt sich rückerstatten, aber nur unter detaillierten Bedingungen. Erstattungsdauer: bis zu 18 Monate.
Das eigentliche Problem: Der Staat kassiert doppelt
Grundsätzlich gilt: Doppelbesteuerungsabkommen sollen verhindern, dass Anleger sowohl im Ausland als auch in Deutschland voll besteuert werden. Doch in der Praxis bleibt bei vielen Ländern ein Teil der Quellensteuer übrig, der nicht automatisch auf die deutsche Abgeltungsteuer angerechnet wird.
Das Resultat: Wer nicht aktiv wird, zahlt zu viel – legal, aber unnötig. Die Differenz liegt je nach Land zwischen 10 und 20 Prozent der Bruttodividende. Bei einem fünfstelligen Depot können das mehrere hundert Euro pro Jahr sein.

Bürokratie, Gebühren, Fristen – und einige Lichtblicke
Der Teufel steckt im Detail. Viele Banken verlangen 25 bis 75 Euro Bearbeitungsgebühr pro Rückerstattung – pro Dividendenzahlung. Besonders aufwendig sind Frankreich, die Schweiz und Dänemark. Erschwerend kommt hinzu: Fristen von einem Jahr (USA) oder bis zu 24 Monaten (Dänemark) erfordern gutes Timing.
Ein Lichtblick: Einige Banken bieten Vorabbefreiungen – etwa SBroker (20 € für zwei Jahre) oder die DKB (30 € für drei Jahre). Fintechs wie Divizend oder TAXbutler automatisieren den Rückerstattungsprozess gegen Gebühr.
Warum Anleger oft trotzdem verzichten
Die bittere Realität: Der Aufwand lohnt sich oft nur bei größeren Beträgen oder hohen Ausschüttungen. Viele Privatanleger verzichten, weil das Verfahren zu aufwendig oder undurchsichtig ist – und Banken ihre Kunden nicht aktiv darüber informieren.
Hinzu kommt: Wer seine Dividenden aus verschiedenen Ländern erhält, muss sich auf mehrere nationale Verfahren einstellen – mit eigenen Formularen, Nachweisen, Gebühren und Fristen. Aus Sicht des deutschen Fiskus ein lohnendes System – aus Sicht der Anleger ein bürokratischer Totalschaden.
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