Ein Pharmaunternehmer, der nie gekifft hat
Clemens Fischer ist 49 Jahre alt, promovierter Arzt, kein Kiffer – und dennoch fest entschlossen, mit Cannabis richtig Geld zu verdienen. Es soll sein größter Coup werden.
Mit einem neuen Medikament auf Cannabinoid-Basis will er die chronischen Rückenschmerzen dieser Welt lindern – und nebenbei das globale Opioidgeschäft herausfordern. Das Ziel: bis zu 20 Milliarden Dollar Jahresumsatz.
Fischers Firma Vertanical, Teil seiner Futrue-Gruppe, steckt bereits mitten in der Vermarktung. Die klinischen Studien für Europa sind abgeschlossen, die Zulassung in Deutschland und Österreich könnte schon im Juli kommen. Für die USA wird noch getestet.
Ein Selfmademan mit aggressivem Marketing
Fischer wurde bekannt durch das Reizdarmpräparat Kijimea, das er mit penetranter TV-Werbung in Millionen Haushalte brachte. Seine Futrue-Gruppe ist ein Pharmakonstrukt mit Dutzenden Marken, aufgebaut ohne große Investoren – nur die Tochter PharmaSGP ist börsennotiert.
2023 machte das Unternehmen 184 Millionen Euro Umsatz, 2024 sollen es bereits über 300 Millionen gewesen sein. Für dieses Jahr plant Fischer mit einer halben Milliarde.
Sein Erfolgsrezept: aggressive Vermarktung, schlanke Strukturen – und eine unerschütterliche Selbstsicherheit.
Ein Medikament, kein Blütenbeutel
Fischers neues Produkt unterscheidet sich von vielen bisherigen Cannabisangeboten. Es handelt sich nicht um lose Blüten, sondern um ein standardisiertes Fertigarzneimittel.
Das ist entscheidend – denn Ärzte sollen laut Gesetz bevorzugt solche Medikamente verschreiben. Ein möglicher regulatorischer Vorteil, auch falls eine künftige Regierung Cannabis wieder strenger einstufen sollte.
Und genau das könnte passieren. CDU/CSU hatten im Wahlkampf angekündigt, das aktuelle Gesetz zur Freigabe von Medizinalcannabis zurückzudrehen. Fischer hätte mit seinem Präparat dann einen entscheidenden Vorteil – es könnte unter dem Radar des Betäubungsmittelgesetzes durchrutschen.
Spenden mit Beigeschmack
Pikant: Ausgerechnet an jene Parteien, die mit einer strengeren Cannabispolitik liebäugeln, hat Fischer großzügig gespendet. Insgesamt mehrere hunderttausend Euro gingen an CDU, SPD und FDP – allein 200.000 Euro an die CSU.
Kritiker sehen darin eine gezielte Einflussnahme, um sich regulatorisch abzusichern. Fischer selbst dementiert: Er habe lediglich „die politische Mitte stärken“ wollen und sich „ausdrücklich für den Erhalt von Medizinalcannabis“ ausgesprochen.
Die Timing-Frage bleibt trotzdem offen. Ein Zufall?
Rufproblem durch Hanföl-Trick
In der Branche begegnet man Fischer mit Vorsicht. Der Grund: sein Umgang mit Cannabis ist nicht neu – aber umstritten. Vor einigen Jahren brachte er ein Produkt namens RubaXX Cannabis Öl auf den Markt.
Der Name klang vielversprechend, doch drin war nur Hanfsamenöl – kein CBD, kein THC, kein medizinischer Effekt. Verkauft wurde es trotzdem zum 100-fachen Preis eines vergleichbaren Drogerieprodukts.
Fischer verteidigt das Produkt als korrekt gekennzeichnetes Nahrungsergänzungsmittel. Verbraucherschützer sehen das anders – und haben Klage eingereicht. Die Verfahren laufen, unter anderem vor dem Landgericht München. Fischer bleibt gelassen: „Wir könnten dem Ganzen nicht entspannter entgegenblicken.“
Kai Diekmann macht die PR
Dass Fischer sein neues Medikament besser vorbereitet in den Markt einführen will, zeigt sich auch an seiner Wahl der Kommunikationsprofis. Die Kampagne läuft über StoryMachine, die Agentur des früheren „Bild“-Chefredakteurs Kai Diekmann. Viele Medien haben bereits berichtet – auffallend freundlich.
Der Werbetrommel folgt bald die echte Werbung: Zunächst sollen Ärzte direkt angesprochen werden, später ist eine breite Kampagne denkbar. Vermutlich wieder zur besten Sendezeit – wie einst bei Kijimea.
Zwischen Vision und Verkaufsmaschinerie
Der Einstieg in den Cannabis-Markt ist riskant – und teuer. Über 150 Millionen Euro hat Fischer bereits in Studien investiert, bis zu 400 Millionen Euro sollen noch folgen. Doch das Risiko scheint kalkuliert: Mit einem Fertigarzneimittel, das regulatorisch besser dasteht als viele Wettbewerber, will er sich eine Pole Position sichern.
Ob es klappt, hängt vor allem an der Zulassung. Kommt sie nicht, war alles nur PR. Kommt sie doch, steht Fischer als Pionier da – einer, der früh auf ein neues Marktsegment gesetzt hat.
Das könnte Sie auch interessieren:
