13. Juni, 2025

Wirtschaft

Warum die US-Inflation mehr Fragen als Antworten liefert

Die Teuerungsrate in den USA sinkt überraschend auf 2,3 %. Doch die Kerninflation verharrt, die Zölle wirken noch nicht – und die Fed bleibt vorsichtig. Was Investoren jetzt wissen müssen.

Warum die US-Inflation mehr Fragen als Antworten liefert
Rund 50 % des gesamten Preisauftriebs im April geht auf gestiegene Wohnungskosten zurück – ein Bereich, den die Fed mit Zinspolitik kaum direkt beeinflussen kann.

Die Inflationszahl fällt – aber der Druck bleibt

Ein Rückgang der Inflationsrate auf 2,3 % – das klingt nach Entspannung. Und genau das signalisierten die Märkte auch: Die Futures auf den S&P 500 drehten ins Plus, Zinshoffnungen flackerten auf. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Die Zahl ist nicht das Ende der Inflation – sondern ein Zwischenstand mit Vorbehalt.

Denn was die Schlagzeilen suggerieren, ist in der Tiefe weit weniger eindeutig. Die Kerninflation, also jene ohne Lebensmittel- und Energiepreise, blieb bei 2,8 %. Und im Monatsvergleich legten die Preise wieder zu – ein Plus von 0,2 % nach einem Minus im März. Das ist kein überzeugender Trend. Und es ist vor allem eines nicht: Entwarnung.

Wohnen treibt die Preise – nicht der Warenkorb

Fast die Hälfte des Preisauftriebs im April geht allein auf die Mieten zurück. Wohnungskosten stiegen binnen eines Monats um 0,3 %. Die Preisdynamik kommt also nicht aus dem klassischen Warenkorb, sondern aus strukturellen Faktoren – etwa Wohnungsknappheit, regionaler Zuzug und steigende Baukosten.

Das macht es der Fed schwer. Denn solche Treiber lassen sich mit Zinspolitik nur bedingt beeinflussen.

Jerome Powell betont, dass die Notenbank „Geduld“ habe – aber das bedeutet nicht, dass sie bereit ist, ihre Ziele aufzugeben. Der Zielwert liegt weiter bei 2,0 %. Davon ist die Kerninflation noch deutlich entfernt.

Zölle wirken noch nicht – aber sie kommen

Viele Marktbeobachter hatten gehofft, bereits im April erste Preiswirkungen der jüngsten Zollpolitik unter Donald Trump zu sehen. Doch das war zu früh.

Analysten rechnen frühestens im Mai oder Juni mit belastbaren Effekten auf die Verbraucherpreise. Die neuen Einfuhrzölle auf chinesische Produkte – jüngst reduziert, aber nicht gestrichen – dürften sich dann messbar zeigen.

Bank of America geht davon aus, dass die US-Konsumenten die Zölle zuerst im Bereich Elektronik und Textilien spüren werden. Dazu kommt ein indirekter Effekt: Wenn Unternehmen beginnen, die Preiswelle der Konkurrenz nachzuvollziehen, droht ein Dominoeffekt bei Aufschlägen. So entsteht Inflation nicht durch Angebot – sondern durch Marktverhalten.

Rezessionsrisiko sinkt – aber die Luft wird dünner

Goldman Sachs hat die Wahrscheinlichkeit für eine US-Rezession von 45 auf 35 % gesenkt. Klingt gut – ist aber auch ein Signal, dass die Wirtschaft nicht mehr im roten Bereich, sondern im Gelbbereich läuft.

Die US-Wirtschaft erholt sich, keine Frage. Doch das schafft neue Herausforderungen: Mehr Wachstum kann auch mehr Inflationsdruck bedeuten. Und das wiederum erschwert den Spielraum für Zinssenkungen.

Die Märkte haben das bereits eingepreist: Statt vier Zinssenkungen erwarten Händler nun nur noch zwei – wenn überhaupt. Der Konsens: Die Fed wird nichts überstürzen. Und Powell scheint diesen Kurs zu bestätigen.

Stagflation bleibt ein Damoklesschwert

Ein Szenario, das bislang am Rande blieb, rückt nun näher: Stagflation. Eine Phase, in der Inflation steigt, aber das Wachstum stockt – die gefährlichste Kombination für Notenbanken.

Noch ist die US-Wirtschaft dynamisch genug, um dieses Risiko zu verdrängen. Doch Jerome Powell hat gewarnt: Sollte das Wachstum schwächer werden, während die Preise steigen, wird die geldpolitische Steuerung zur Gratwanderung.

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